"Wie stellt ihr euch den Himmel vor?", fragt Stefanie Suhr-Meyer beim Kindergottesdienst. Die Kleinen sitzen um einen großen Bogen Papier. Darauf malen sie Dinosaurier, Schaukeln und Regenbögen. Trauerbegleiterin Suhr-Meyer kümmert sich im Hospizverein Ansbach unter anderem um Kinder: "Beim Umgang mit Trauer kommt es auf das Alter an." Für sehr kleine Kinder sei der Tod noch nicht greifbar.
"Für sie ist es eine Momentaufnahme. Sie denken, der Verstorbene wäre nur eine Zeitlang weg", erklärt sie. Sechs- bis Zehnjährigen werde bereits bewusst, dass dieser Mensch nicht zurückkommen wird. Vor allem aber begegnen Kinder dem Tod mit Neugier: "Viele stellen sehr direkte Fragen. Sie wollen wissen, was mit dem Körper passiert, wenn er unter der Erde ist oder wie eine Verbrennung abläuft."
Manche hätten auch ein schlechtes Gewissen und fühlten sich verantwortlich für den Tod. "Besonders bei Jugendlichen gibt es oft eine große Melancholie", sagt Suhr-Meyer. Hier komme es sehr auf den Freundeskreis und Bezugspersonen wie Lehrerinnen und Lehrer oder Trainer an. "Eltern haben hier eine geringere Chance, zu den Teenagern durchzudringen." Solche wichtigen Kenntnisse hat man auch im Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche der Johanniter, Lacrima Mittelfranken.
Suhr-Meyer hat bereits ihre eigenen Kinder bei deren Trauerprozess begleiten müssen: "Als mein Ehemann vor 17 Jahren gestorben ist, waren sie drei, fünf und acht Jahre alt." Damals erfuhr sie, dass Trauer bei Kindern wie auch bei Erwachsenen sehr individuell ist: "Jedes Kind geht anders damit um. Manche reagieren mit Wut, andere erzählen es jedem, wieder andere schweigen." Oft werde Kindern dabei zu wenig zugetraut. "Wir dürfen sie nicht zu sehr vor Negativem schützen."
Wirklichkeit ist nicht so schlimm
Bei einem Kindergottesdienst fragte sie die Kinder, wie sie sich eine Trauerfeier vorstellten. Ein Kind dachte, seine Oma wurde einfach in ein Loch fallen gelassen. "Hätte sie gesehen, wie der geschlossene Sarg langsam an Seilen hinabgelassen wird, hätte ihr das diese furchtbare Vorstellung erspart", sagt Suhr-Meyer. "Das Begreifen-Dürfen ist wichtig. Ihre Vorstellung ist oft schlimmer als die Wirklichkeit."
Suhr-Meyer erinnert sich an einen Jungen, dessen Schwester verstorben war. "Er ging auf dieselbe Schule wie sie und musste jeden Tag an dem Bild seiner toten Schwester vorbeilaufen, das dort aufgestellt wurde." Das hat den Jungen sehr aufgewühlt. Die Schule war bis dahin der einzige Ort gewesen, an dem er Ablenkung hatte. "Kindergärten und Schulen sind oft Rückzugsorte und Räume der Normalität."
Ein Sprecher des Bestatterverbands Bayern sagt: "Das Thema Trauer bei Kindern ist bei der Trauerpsychologischen Ausbildung der Bestattermeister ein eigener Unterpunkt, der mehrere Tage behandelt wird." Auch er bestätigt, dass sich der Umgang mit trauernden Kindern vor allem an der Altersgruppe orientieren müsse, denn: "Die Trauerreaktionen der jeweiligen Gruppen können komplett unterschiedlich sein."
Während der Coronapandemie wurde die Abschiednahme für alle Trauernden erschwert. So war nur eine begrenzte Zahl von Angehörigen erlaubt und einige Verwandte wurden vollkommen aus dem Kreis ausgeschlossen. "Besonders schlimm waren Fälle, bei denen gar kein Abschied möglich war", sagt er. Davon waren auch Kinder betroffen. Statistiken über genaue Zahlen hierzu liegen ihm aber nicht vor.
Damit Trauer nicht in eine Depression mündet, solle man laut Suhr-Meyer auf drei Warnsignale achten. "Essen sie? Schlafen sie? Kümmern sie sich um ihre Körperpflege?" Während der Pandemie war das Abschiednehmen erschwert - für Erwachsene oft ein Problem. "Bei Kindern konnten wir beobachten, dass ihnen der Lockdown hier geholfen hat." Durch Homeoffice und Homeschooling rückten die Familien näher zusammen und die Kinder waren nicht auf sich allein gestellt.