Die Preisverleihung für Daniel Kaiser und seine prämierte Predigt soll später im Jahr erfolgen. Verliehen wird die mit 2.000 Euro dotierte Auszeichnung von der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen der Universität Hamburg. Der Preis wurde von Annelie Kümpers-Greve (1946-2017), Mitglied der Mennonitengemeinde Hamburg, gestiftet. Zur Jury gehören unter anderem Professor Fernando Enns, Leiter der Hamburger Arbeitsstelle, und der emeritierte Hamburger Theologie-Professor Hans Martin Gutmann.
evangelisch.de: Haben Sie sich auf den Online-Gottesdienst anders vorbereitet als auf einen reinen Präsenz-Gottesdienst? Inwiefern und hat sich das auf die Sprache Ihrer Predigt ausgewirkt?
Daniel Kaiser: Es ist ja jedes Mal bei einer Predigt für mich die große Herausforderung, das Evangelium authentisch in einer Sprache von heute zu verkünden. Ich mache da tatsächlich keinen Unterschied zwischen einer digitalen und einer Holz-Kanzel. Als von Sonntag zu Sonntag immer mehr Menschen einschalteten und klar wurde, dass Zehntausende live dabei sind, ist mir aber schon ein bisschen die Pumpe gegangen. Ich habe das Skript am späten Samstagabend noch einmal an ein befreundetes Pastorenpaar in Mölln geschickt, die als 'Predigt-Checker' noch einmal drübergeguckt haben und manchmal 'zu moralisch' an den Rand geschrieben haben. Da habe ich dann noch mal nachgearbeitet, und eine ganz starke Erfahrung war, dass danach dann die vielleicht stärksten Passagen der Predigten entstanden sind – quasi im Dialog – mitten in der Nacht.
"Der konzentrierte Blick in die Kamera war gewöhnungsbedürftig – und das in einer leeren Kirche."
Haben Sie Tipps für andere - egal, ob Laien- oder "Profi"-Prediger - für (digitale) Gottesdienste? Muss man dafür ein Allrounder sein, wie Sie - also predigen und Musik machen können?
Daniel Kaiser: Wichtig ist, nicht nur einen Gottesdienst abzufilmen, sondern die Zuschauerinnen und Zuschauer direkt anzusprechen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es nicht allzu geskriptet sein sollte: Nur nicht zu glatt! Mir ist auch mal das Gesangbuch runtergefallen oder ich habe den Zettel mit den Abkündigungen vergessen. An den Reaktionen habe ich gemerkt: Da fängt das Ganze doch erst an zu leben. Wir haben die Gottesdienste auch immer zum Mitmachen und Mitsingen konzipiert: Einzelne Bestandteile wie das Vaterunser, einen Psalm oder auch die Fürbitten auch mal kurz erklärt, ohne wie Konfirmandenunterricht zu klingen.
Das mit der Flöte und dem Singen hat geholfen, weil die Corona-Bedingungen im ersten Lockdown besonders hart waren. Der konzentrierte Blick in die Kamera war gewöhnungsbedürftig – und das in einer leeren Kirche. Von meiner Arbeit im Radiostudio, in dem man ja auch allein mit einer roten Lampe am Mikro sitzt, kenne ich das ja schon ein bisschen. Das Technik-Team winkte immer, in welche Kamera ich gucken sollte. Das hat oft geklappt.
Außerdem reicht es noch nicht, wenn ein Gottesdienst bei Youtube steht. Man muss ja auch davon erfahren. Gut ist dann, einen starken Medienpartner zu haben. Meine Erfahrung ist, dass auch Medien, die sonst keine große Kirchenliebe zu zeigen scheinen, in der Pandemie offen waren für solche Angebote. Unsere ersten Gottesdienste hatten die Lübecker Nachrichten und das Hamburger Abendblatt in ihrem Online-Angebot verlinkt. Dadurch hatten wir eine enorme Verbreitung. Später ist der NDR eingestiegen.
Denken Sie, dass digitale Gottesdienste auch nach der Corona-Pandemie Bestand haben können? Wo sehen Sie hier Chancen?
Daniel Kaiser: Ich sehe, dass die Zwänge der Pandemie viele kreative Prozesse in der Kirche ausgelöst haben. Ich hoffe, dass Gemeinden die Chancen des Internets erkennen. Für einen Weihnachtsgottesdienst haben wir uns gefragt: Was sollte ein Gottesdienst haben, der sich von den anderen unterscheidet und den wir uns auch anschauen würden? Auch der war ein großer Erfolg und wurde sogar im Fernsehen gesendet. Der Hamburger Pastor Jonas Goebel hat danach herausgefunden, dass Online-Gottesdienste von einem anderen Publikum geschaut werden. Und ich habe auch die häufige Rückmeldung bekommen, diese sieben Gottesdienste im Internet am Stück seien für viele die ersten seit Jahrzehnten gewesen. Online-Formate können eine riesen Chance sein.
"Ich bin zuvor mit dem Bibeltext in Kopf und Herz durch die Woche gegangen"
Wie kamen Sie darauf die Geschichte der Salbung in Bethanien aus dem Markus-Evangelium mit der Corona-Pandemie zu verbinden?
Daniel Kaiser: Der Text war an jenem Sonntag in der Perikopenordnung vorgesehen. Ich hatte mich all die Wochen nur einmal für einen anderen Text als den vorgeschriebenen entschieden. Ich bin zuvor mit dem Bibeltext in Kopf und Herz durch die Woche gegangen – durch den Arbeitsalltag im NDR mit vielen Hiobsbotschaften und durch viele Gespräche mit Freundinnen und Freunden.
Das war ja eine ganz intensive Zeit mit vielen Ungewissheiten, und jede Woche hatte eine eigene Tonalität, eigene dominante Themen. Ich habe den Text versucht, in die aktuelle Woche 'fallen' zu lassen und beobachtet, wie er resoniert, welche Wellen er erzeugt. Die Predigten habe ich immer erst Samstagabend zu Papier gebracht.
Würden Sie jetzt, fast ein Jahr später, Ihre Predigt wieder so formulieren oder gibt es den einen oder anderen Aspekt, den Sie jetzt zusätzlich einbringen, weglassen oder sogar betonen würden?
Daniel Kaiser: Im Kern steht der Text noch, meine ich. Die tagesaktuellen Bezüge und die angesprochenen gesellschaftlichen Konfliktlinien müsste man allerdings schon neu kalibrieren. Sie geben ja die Würze und veranschaulichen die Aktualität des Evangeliums.