Als ob die Haut zu eng würde - Lepra trifft noch immer Zigtausende

An Lepra erkrankter Mann in Kolumbien
©epd-bild/Mario Schmitt/DAHW
Ein an Lepra erkrankter Mann in Kolumbien beim Ausfüllen eines Formulares. In Dutzenden Ländern werden Leprakranke und auch geheilte Patienten nach Zahlen der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) noch immer per Gesetz stigmatisiert.
Als ob die Haut zu eng würde - Lepra trifft noch immer Zigtausende
Bericht aus Paraguay zum Welt-Lepra-Tag (31. Januar)
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie geraten andere Krankheiten schnell in Vergessenheit - das gilt vor allem für jene, die in Industrieländern kaum eine Rolle spielen. Wie zum Beispiel Lepra. Mathias Duck aus Paraguay erzählt von seiner Erkrankung.
31.01.2021
epd
Daniel Staffen-Quandt

Plötzlich war da dieses Kribbeln in der Hand. Der kleine Finger und der Ringfinger fühlten sich wie eingeschlafen an. "Aber es ging nicht mehr weg", erinnert sich Mathias Duck. Nach einiger Zeit kam ein Gefühl der Spannung hinzu: "Es war, als ob meine Haut zu eng würde. Als ob die zwei Finger nicht mehr in ihre 'Hülle' passen." Die Diagnose trifft den jungen Mann aus Paraguay schwer, wenn auch nicht ganz unvorbereitet: Lepra. Die Infektionskrankheit ist in seinem Heimatland noch weit verbreitet. Er arbeitete damals selbst in einer Lepra-Klinik.

Mathias Duck (Foto vom 17.01.2021) aus Paraguay arbeitete als Seelsorger in einer Lepra-Klinik und steckte sich mit der "biblischen Krankheit" an.

Schon als Kind kommt Duck mit der "biblischen Krankheit" Lepra in Kontakt. Seine Familie gehört zur mennonitischen Gemeinde, die 81 Kilometer von der Hauptstadt Asunción entfernt das Spital "Kilometro 81" betreibt. Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) mit Sitz in Würzburg unterstützt die Arbeit dort. "Ich war als Kind oft dort - und hatte ganz selbstverständlich Kontakt mit Lepra-Erkrankten", berichtet Duck, der heute den Ausschuss der Leprabetroffenen bei der internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke ILEP leitet: "Für mich war Lepra nichts Fremdes."

Weltweit erkranken noch immer jährlich mehr als 200.000 Menschen neu an Lepra, Millionen Menschen müssen ihr Leben lang mit den Folgen der bakteriellen Infektion zurechtkommen - verkrüppelte Hände oder Füße, entstellte Gesichter und vieles mehr. Nach Angaben der DAHW ist etwa jeder fünfte Mensch weltweit von sogenannten vernachlässigten Tropenkrankheiten wie etwa Lepra betroffen. Die Corona-Pandemie hat die ohnehin schon geringe Wahrnehmung dieser Krankheiten nochmals gesenkt.

Wundbehandlung bei einem an Lepra erkrankten Patienten im Leprahospital in Pullambadi in Indien. Lepra ist eine von Bakterien ausgelöste Krankheit, deren Erreger die Haut und das Nervensystem befallen.

Die meisten Lepra-Infektionen gibt es in Indien und Brasilien. Im kleinen Paraguay mit seinen sieben Millionen Einwohnern erkranken mindestens 400 Menschen jährlich neu an Lepra. Die Dunkelziffer ist aber unklar. "Für die Betroffenen geht es nicht nur darum, die Erkrankung zu besiegen", sagt Mathias Duck. Das sei dank Antibiotika-Therapien heute auch weniger das Problem. "Es geht um Diskriminierung, um das gesellschaftliche Stigma." Viele Betroffene wollten nicht, dass ihre Lepra-Erkrankung bekannt wird. "Ich habe mich immer gefragt, warum? Bis ich selbst die Diagnose bekam", sagt Duck.

Der Nachfahre deutscher Auswanderer hat drei Jahre gebraucht, um offen über seine Diagnose, die er im Oktober 2010 bekam, zu sprechen: "Auch in unserem Land gibt es noch die Vorstellung, dass so eine Krankheit nur eine Strafe Gottes sein kann." Dass sei oftmals keine Frage der Generationen, sondern der Erziehung, der Bildung - und auch der Religionsgemeinschaften. Duck, selbst studierter Theologe und Mennoniten-Prediger, sagt, er müsse da mitunter "liebevoll, aber bestimmt, auch Kollegen zurechtweisen", die Lepra als Sinnbild für Sünde und Korruption bezeichneten.

Verkrüppelte und verletzte Hände eines Lepra-Patienten in der Lepra-Kolonie Agua de Dios, Kolumbien. Die Corona-Pandemie hat die endlich in Fahrt gekommene Suche nach einem Lepra-Impfstoff abgebremst.

Duck bekam seine Diagnose, als er gerade zehn Monate an der Lepra-Klinik als Seelsorger gearbeitet hatte. "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe ich mich nicht bei meiner Arbeit angesteckt", sagt der Theologe. Lepra hat in den meisten Fällen eine Inkubationszeit von mehreren Jahren, teils sogar Jahrzehnten. Das heißt, zwischen der Ansteckung, die einen längeren, engen Körperkontakt voraussetzt, und dem Ausbruch liegt eine lange Zeit. "Anhand meiner Symptome gehen die Lepra-Experten auch davon aus, dass ich es nicht noch einmal bekommen werde", erklärt Duck.

Deshalb arbeitete Duck nicht nur während seiner Erkrankung, sondern auch noch mehr als fünf Jahre danach als Seelsorger im "Kilometro 81". In dieser Zeit wuchs Duck auch so langsam in die internationale Verbandsarbeit hinein. Vor gut fünf Jahren hat er entschieden, eine Auszeit von der Pastorenarbeit zu nehmen. "Ich habe für mich gemerkt: Die nächsten 10 bis 15 Jahre will ich mich vor allem dem Kampf gegen Lepra widmen", sagt er: "Bei Corona sieht man, dass Krankheiten sehr schnell besiegt werden können, wenn sie alle betreffen. Das muss jetzt auch für Lepra gelten."