Jemen zum Vorbild statt zum Exempel machen

Jemen zum Vorbild statt zum Exempel machen
Erst Saudi-Arabien, dann Afghanistan und Pakistan, jetzt Jemen: El Kaida hat viele Heimaten. Wenn der Westen ernsthaft gegen das Terrornetzwerk vorgehen will, sollte er auf Hillary Clinton hören – und auf Margot Käßmann.

Die Lage im Jemen stellt nach Ansicht von US-Außenministerin Hillary Clinton eine Bedrohung für die ganze Welt dar. "Die Instabilität im Jemen ist eine Bedrohung der regionalen Stabilität und sogar der globalen Stabilität", so formulierte es die US-Außenministerin nach dem im Jemen geplanten gescheiterten Anschlag auf ein Flugzeug in Detroit.

Man kann dankbar sein, dass Clinton unter Barack Obama Außenministerin der USA ist und nicht der Ex-Vizepräsident und ehemalige US-Verteidigungsminister Dick Cheney unter George W. Bush die Außenpolitik der USA diktiert. Dann wären vielleicht jetzt schon US-Truppen in Richtung Jemen unterwegs. Aber Clinton beschwört die Multilateralität im Kampf gegen den Terror, die unter Bush verloren gegangen war: Die internationale Gemeinschaft müsse die Regierung Jemens stärker als bisher unterstützen, fordert sie.

Nur reagieren bringt die USA nicht weiter

Aber warum auf einmal Jemen? Klar: Der Attentäter von Detroit kam aus Jemen. Also konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf den Wüstenstaat im Süden der arabischen Halbinsel. Afghanistan? Für den Moment egal. Pakistan? Beiseite geschoben. Saudi-Arabien, wo die Attentäter vom 11. September herkamen? Scheinbar kein Problem mehr. Nur ist es leider abwegig zu glauben, man könne El Kaida regional unter Druck setzen und damit das Problem des islamischen Terrorismus an der Wurzel ausrotten.

Als US-Truppen 2001 in Afghanistan einmarschierten, um El Kaida zu zerschlagen, zerstörten sie einige Ausbildungslager und hofften, Osama bin Laden direkt dort zu erwischen. Fast neun Jahre später ist der Terroristen-Guru immer noch untergetaucht, niemand weiß, wo. Als Barack Obama jüngst Wochen brauchte, die 30.000-Mann-Offensive für Afghanistan zu beschließen, lag das auch daran, dass die Sicherheitsexperten im Weißen Haus eine Unterstützung Pakistans als mindestens ebenso wichtig erachteten und dem Präsidenten die Entscheidung nicht leichter machten.

Jetzt also Jemen. So schnell wie die Terroristen der El Kaida wandern, kann die globale Ordnungsmacht USA nicht mal einen Flugzeugträger vor die Küste des Landes schicken – nicht dass der irgendwas helfen würde. Immer wenn die USA und ihre Verbündeten nur reagieren, sind sie zu langsam. Und dem globalisierten Terrorismus ist der zivile Wiederaufbau in Afghanistan herzlich egal. Erst wenn El Kaida und ihre Sympathisanten keine Rückzugsräume mehr finden, wenn sie überall auf der Welt ungeliebt und ausgestoßen sind, werden sie zu fassen sein.

Lebensumfelder schaffen, in denen Terrorismus keinen Platz hat

Aber dazu braucht es die internationale Gemeinschaft, zu der Hillary Clinton aufgerufen hat. Dazu muss terroristische Gewalt als Mittel der Wahl überall geächtet werden. Dazu müssen die Unterstützer-Netzwerke des Islamismus in jedem einzelnen Dorf Arabiens und der Welt zusammenbrechen. Dazu muss die Stärke des Rechts statt des Rechts des Stärkeren auch ganz Afrika erreichen – nicht unbedingt nach westlichem Vorbild, aber so, dass Terroristen dort nicht willkommen sind. Dazu muss der Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ein Ende finden.

Jemen könnte ein Wendepunkt sein. Durch zivile und wirtschaftliche Hilfe, Ausbildung der Polizei (ohne ihr notwendigerweise das westliche Rechtssystem aufzuzwingen), Ausbau der Infrastruktur und einen höheren Lebensstandard ließe sich dort vielleicht ein Lebensumfeld schaffen, in dem Terrorismus keinen Platz mehr hat. Das ist ein hehres Ziel und eines, das unglaublich viel Anstrengung und Geld erfordert – Staat für Staat. Aber die Alternative heißt: den Westen hinter Mauern und Körperscannern abschotten und den Terroristen mit Militär und Spezialeinheiten über den ganzen Globus hinterher zu jagen, von Versteck zu Versteck, von den Bergen Afghanistans in die Wüste Arabiens und die Steppe Afrikas und wieder zurück.

Dieser "Krieg gegen den Terror" ist zum Scheitern verurteilt, weil es kein Krieg ist und auch keiner, den man gewinnen kann. Margot Käßmann hat schon Recht, wenn sie "mehr Fantasie für den Frieden" fordert. Der Fall Jemen zeigt, dass die militärischen Mittel am Ende sind. Nicht einmal die USA haben noch Truppen übrig, die sie nach Irak und Afghanistan in eine dritte vergebliche Besetzung schicken könnten. Es ist an der Zeit, andere Mittel auszuprobieren, überall, nicht nur im Jemen. Hoffen wir, dass Hillary Clintons Ruf nach internationaler Gemeinschaft nicht ungehört verhallt.


 

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de, zuständig für die Ressorts Gesellschaft und Wissen.