In den USA bröckelt der Mythos des Krieges

Demonstranten in Los Angeles protestieren gegen einen US-Militärschlag in Syrien.
Foto: UPI/laif
Demonstranten in Los Angeles protestieren gegen einen US-Militärschlag in Syrien.
In den USA bröckelt der Mythos des Krieges
Nicht nur die traditionelle Friedensbewegung läuft Sturm gegen einen Krieg. Auch konservative Kreise in Amerika stellen sich gegen einen Militärschlag in Syrien, ganz anders als beim Konflikt mit dem Irak vor zehn Jahren - und aus anderen Motiven.
13.09.2013
epd
Konrad Ege

In den USA hofft man auf einen diplomatischen Durchbruch in der Syrien-Krise. Nach mehr als zehn Jahren Blutvergießen im Irak und in Afghanistan sind viele Amerikaner offenbar kriegsmüde. Doch die politische Konstellation ist komplex. Konservative Kriegsgegner nutzen die Gelegenheit, dem ungeliebten Präsidenten Barack Obama Steine in den Weg zu legen.

Krieg oder Frieden? Die Nation stehe bei dieser Frage am Scheideweg, vermuten Angehörige von Opfern der Terroranschläge vom 11. September 2001, die sich zu einer Friedensgruppe zusammengeschlossen haben. Der Mythos, dass man mit Waffengewalt Probleme lösen könne, sei bei der Syrien-Debatte in sich zusammengefallen, sagte Terry Rockefeller von der Organisation "9/11 Families for Peaceful Tomorrows" dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ihre Schwester Laura war im Nordturm des World Trade Centers ums Leben gekommen.

Konservative sind aus wirtschaftlichen Gründen gegen den Krieg

Obamas Aufschub des angekündigtem Militärschlags hat den Kriegsskeptikern Mut gemacht. Mehr als 60 Prozent der US-Bürger sprachen sich gegen den Angriff aus. Nicht nur die traditionelle Friedensbewegung sei dagegen gewesen, erklärte der Arzt John Walsh, der in Massachusetts mit dem Verband "Come Home America" linke und rechte Kriegsgegner zusammenbringen will. Die Linke habe an Glaubwürdigkeit verloren, weil sie immer wieder Obamas Drohnen-Angriffe, vor allem in Afghanistan und Pakistan, gerechtfertigt habe.

###mehr-artikel### Gibt es mehr Kriegsgegner bei den Konservativen? Meinungsforscher bestätigten Walshs Einschätzung: In einer Umfrage des Senders CBS der Tageszeitung "New York Times" vom 6. bis 8. September sprachen sich 41 Prozent der Demokraten, aber nur 28 Prozent der Republikaner für den Militärschlag aus. Ein neuer Krieg gefährde "wirtschaftliches Wohlergeben zu Hause", warnte Matt Kibbe, Präsident des Tea-Party-nahen ultrakonservativen Verbandes "FreedomWorks". Bei einem Zusammenbruch Syriens würden die USA Verantwortung für das Land übernehmen müssen. Das könne man sich nicht leisten.

Besonders heftig wird Obamas Syrienpolitik in konservativen Talkshows kritisiert. Einer der meist gehörten rechten Rundfunk-Talker, Rush Limbaugh, warnte Anfang September, es gebe zunehmend Hinweise darauf, dass die syrischen Rebellen an den Giftgasattacken schuld seien. Das Weiße Haus nutze aber die Vorfälle, um Obamas Nahostpolitik umzusetzen. Die republikanische Antikriegsstimmung unterscheidet sich drastisch von der Haltung der Partei zum Irak-Krieg vor einem Jahrzehnt: Die allermeisten Republikaner hatten sich 2003 für George W. Bushs Kriegseinsatz dort ausgesprochen.

Kirchen und Theologen unisono gegen den Krieg

Kibbe von "FreedomWorks" erläuterte in der "New York Times" (Donnerstagsausgabe), dass in der Republikanischen Partei zwei Flügel miteinander wetteifern: Das "Establishment", das Bushs Irak-Krieg unterstützt hat, und die "Nicht-Interventionisten", die sich wegen des wachsenden Sicherheitsapparats in den USA sorgen. Die beiden Strömungen existieren schon seit Jahrzehnten. Während des Kalten Krieges tat man sich zusammen gegen den gottlosen Kommunismus. Nach dem 11. September schweißte Bushs Krieg gegen den Terrorismus die Partei zusammen. Doch nun sitzt ein demokratischer Präsident im Weißen Haus.

###mehr-links### Kirchen und Theologen sprachen sich fast unisono gegen einen Syrien-Krieg aus. Warnungen kamen auch aus konservativen evangelikalen Kreisen. Der von Präsident Obama anfangs geforderte Angriff entspreche nicht allen Prinzipien eines "gerechten Krieges", erklärte der Theologe Russell Moore vom konservativen "Südlichen Baptistenverband".

Die Forderung nach diplomatischer Konfliktlösung werde trotz der unterschiedlichen Motive hoffentlich über Syrien hinaus anhalten, hofft die Friedensaktivistin Rockefeller. Die Terroranschläge vom September 2001 lägen weit zurück, und die US-Bürger würden sich vielleicht nicht mehr von der damals gespürten Angst leiten lassen. Insgesamt ist die große Mehrheit der Bevölkerung überzeugt, dass die Nation das Richtige tut. Meinungsforscher des Pew Centers berichteten vor wenigen Tagen, dass in einer Umfrage 79 Prozent der Amerikaner die Ansicht vertraten, ihr Land sei "eine Kraft für das Gute in der Welt".