Beim Wort Migration denken viele Menschen als Erstes an Nicht-EU-Bürger, die nach Deutschland strömen. In manchen Gedanken ploppt die Bezahlkarte auf, und vor dem inneren Auge erscheinen überfüllte Flüchtlingsheime auf der italienischen Insel Lampedusa. Dabei gibt es Migration seit Menschengedenken. Die wohl bekannteste Migration war und ist die Einwanderung in die Vereinigten Staaten. Zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert ließen sich zahlreiche Migranten aus religiösen, politischen oder wirtschaftlichen Motiven dort nieder, ihren Höhepunkt erreichte die Immigration 1892 bis 1924.
Auch wenn in den Vereinigten Staaten mehr legale Einwanderer als in jedem anderen Staat der Welt leben, ist in den letzten Jahrzehnten auch Europa für viele Migranten ein wichtiges Ziel geworden. EU-weit leben auf Zypern mit fast 80 pro 1.000 Einwohner gerechnet die meisten Flüchtlinge und Asylbewerber. Danach folgen laut Statista, der deutschen Online-Plattform für Statistiken, Tschechien, Deutschland, Österreich und Estland. In der Bundesrepublik kommen auf 1.000 Einwohner statistisch derzeit 35,5 Flüchtlinge und Asylbewerber, EU-weit werden in Deutschland außerdem regelmäßig die Erst-Anträge auf Asyl gestellt.
Nach ihrem Volontariat in der Pressestelle der Aktion Mensch arbeitete Alexandra Barone als freie Redakteurin für Radio- und Print-Medien und als Kreativautorin für die Unternehmensberatung Deloitte. Aus Rom berichtete sie als Auslandskorrespondentin für Associated Press und für verschiedene deutsche Radiosender. Seit Januar 2024 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
Die Hauptgründe für Migration sind Hunger und Armut, doch durch die zunehmenden Kriege und Diktaturen hat die politische Verfolgung als Migrationsgrund immer mehr an Bedeutung gewonnen. Asylanträge von Menschen, die wegen Unruhen aus ihrem Heimatland fliehen, haben in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr zugenommen.
Wegen des Sturzes von Assad in Syrien hat die Migrantenfrage nochmal an Fahrt gewonnen. Während die Rufe einiger deutschen Politiker bezüglich einer möglichen Abschiebung von Syriern in ihr Heimatland lauter werden, warnen Hilfswerke und Kirchen vor voreiligen Rückführungen in das Land - sie fordern stattdessen Stabilisierung und Wiederaufbau vor Ort.
Wie evangelisch.de bereits berichtete, herrscht unter vielen Syriern in Deutschland Freude über den Umbruch, doch die Situation ist immer noch sehr unsicher, und für einige ist Deutschland mittlerweile zu einer neuen Heimat geworden. Laut dem deutschen Statistikamt leben rund 700.000 syrische Flüchtlinge in Deutschland, ein Großteil von ihnen bereits seit vielen Jahren. Von den zugewanderten syrischen Schutzsuchenden kamen demnach gut die Hälfte (52 Prozent) nach dem Beginn des Krieges in ihrem Heimatland zwischen 2014 und 2016 erstmals nach Deutschland, zwölf Prozent der syrischen Schutzsuchenden sind in Deutschland geboren.
Anlässlich der anstehenden Wahlen in Deutschland im Februar ist auch ein Blick auf die Wahlberechtigten interessant: Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, hatten im Jahr 2023 rund 17,1 Millionen Menschen ab 18 Jahren - und damit ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland - einen Migrationshintergrund. Davon wären 41 Prozent oder 7,1 Millionen Personen bei einer Bundestagswahl wahlberechtigt. Damit machten Wahlberechtigte mit Einwanderungsgeschichte 12 Prozent aller Wahlberechtigten aus. Nicht verwunderlich wäre es daher, wenn die Parteien die Migrantenfrage im Wahlkampf aufgreifen.
Wahlkampf nicht auf Kosten Geflüchteter
Genau davor warnt der leitende Theologe der evangelischen Kirche in Bonn, Superintendent Dietmar Pistorius. In einem offenen Brief an die Politik ruft er dazu auf, Probleme differenziert zu benennen und Lösungen vorzuschlagen, wie die evangelische Kirche Bonn mitteilt. Es könne nicht darum gehen, "den kurzfristigen Erfolg bei einer Wahl mit einem langfristigen gesellschaftlichen Schaden einzukaufen", so Pistorius. Mit dieser Art der Diskussion werde auch die wertvolle Arbeit vieler Haupt- und Ehrenamtlicher in der Flucht- und Migrationsarbeit diskreditiert und setze sie zunehmend unter Druck. Zudem unterstreicht Pistorius die Bedeutung des Kirchenasyls in Härtefällen. Die evangelische Kirche gehe mit dem Kirchenasyl "sehr sorgsam und in gutem Kontakt mit den Behörden" um.
"In ländlichen Regionen halten syrische Ärztinnen und Ärzte die Versorgung in Krankenhäusern aufrecht, ohne sie wird es eng", sagte der Präsident des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte, Michael Weber, am 13. Dezember der "Bild"-Zeitung. Es sei damit zu rechnen, dass nach dem Sturz des Assad-Regimes "ein substanzieller Anteil der rund 5.000 syrischen Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern in ihr Heimatland zurückkehrt".
Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiten viele syrische Geflüchtete in Mangelberufen. Zudem arbeiten 62 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Syrer:innen in systemrelevanten Berufen, beispielsweise im Gesundheitswesen, im Bereich Transport und Logistik oder in der Nahrungsmittelproduktion. Die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege, Isabell Halletz, sagte: "Eine Rückkehr dieser Fach- und Arbeitskräfte wäre ein schwerer Schlag für die Altenpflege."
Weihnachtsgeschichte ist Migrationsgeschichte
Die Migrantenfrage beschäftigt die Menschheit seit Jahrtausenden. Das Wort "migrare" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "wandern". Streng genommen gehören somit auch die zahlreichen Völkerwanderungen dazu, und sogar die Weihnachtsgeschichte ist letztlich auch eine Migrantionsgeschichte: Josef soll aufgrund der angeordneten Volkszählung mit seiner schwangeren Verlobten Maria von der Stadt Nazareth nach Bethlehem gewandert sein, seiner Geburtsstadt. Nach der Geburt Jesu musste die kleine Familie angeblich nach Ägypten fliehen, weil sie von der Regierung verfolgt wurde. Jesus stammt also aus einer Migrantenfamilie, wächst später in Nazareth als Migrant auf und wird dann ein Wanderprediger.
Im Dezember 1990 wurde die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen von der UN-Vollversammlung angenommen. Sie ist der primäre internationale Standard, mit dem Regierungen ihre nationalen gesetzlichen Schutzmechanismen messen sollten. Am 18. Dezember 2000 rief die UNO den ersten Internationalen Tag der Migranten aus. Der Gedenktag soll auf die Situation der Menschen mit Migrationshintergrund hinzuweisen.