evangelisch.de: Herr Landgraf, wer hatte eigentlich die Idee zu Kolibri? Wann und warum ist es gegründet worden?
Andreas Landgraf: Gegründet worden ist Kolibri 2012 von einer Gruppe von Bauunternehmern. Sie hatten eine Klinik gebaut und sind dann zum Richtfest eingeladen worden. Dort sind sie zum ersten Mal mit krebskranken Kindern in Berührung gekommen und haben gedacht: "Da muss man doch irgendwas machen: den Kindern helfen, die Eltern unterstützen." Und so haben sie den Verein Kolibri gegründet und wirklich tolle Sachen ins Leben gerufen damit.
Was macht Kolibri genau?
Landgraf: In erster Linie erfüllen wir Wünsche von krebs- und schwerstkranken Kindern und helfen ihren Familien in allen möglichen Lebenslagen. Wir organisieren aber auch viele Veranstaltungen im Krankenhaus wie kleine Konzerte und Theateraufführungen.
Wir versuchen einmal im Monat ein Koch-Event im Krankenhaus zu veranstalten und kochen und essen dann gemeinsam mit den Kindern und den Eltern. Oft haben wir da auch den einen oder anderen Prominenten mit dabei, der auch ein bisschen dafür sorgt, dass es auch ein bisschen mehr in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen wird.
Nach ihrem Volontariat in der Pressestelle der Aktion Mensch arbeitete Alexandra Barone als freie Redakteurin für Radio- und Print-Medien und als Kreativautorin für die Unternehmensberatung Deloitte. Aus Rom berichtete sie als Auslandskorrespondentin für Associated Press und für verschiedene deutsche Radiosender. Seit Januar 2024 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
Sie beziehen auch die Eltern mit ein und begleiten sie?
Landgraf: Wir bieten unsere Hilfe in allen möglichen Sachen an, denn im Grunde genommen sind die Eltern, also zumindest eins der Elternteile, immer Bestandteil der gesamten Therapie. Das wird auch vom Krankenhaus so vorgegeben. Das heißt, man hat auf der Station nicht für jedes Kind eine Schwester, sondern da muss auch wenigstens ein Elternteil da sein.
Das ist für viele Eltern neben der emotionalen auch eine organisatorische Herausforderung. Man muss sein Arbeitsleben, sein Privatleben und den Aufenthalt im Krankenhaus unter einen Hut bringen. Wichtig sind auch die Geschwisterkinder, die dürfen nicht durchs Raster fallen. Wir versuchen, mit den Eltern frühzeitig darüber zu reden, dass sie vorbereitet sind und auch auf die Geschwisterkinder aufpassen müssen. Die Geschwister leiden auch, aber sie stehen oft mit ihrer Angst um ihren Bruder oder um ihre Schwester ganz alleine da.
Wir versuchen auch, die Eltern finanziell zu unterstützen, denn nach einer sechswöchigen Krankschreibung endet der Arbeitgeberanteil. Danach erhalten sie zwar Krankengeld, aber man muss schauen, wie man über die Runden kommt. Und dann ist da natürlich auch der Krankenhausalltag, der nimmt einen schon mit. Für viele gibt es keinen anderen Alltag, und sie sind oft isoliert. Dann sind wir vor Ort und reden.
Ich muss ehrlich sagen, dass hätte ich mir damals auch so gewünscht, dass Leute da sind, die mich da ein bisschen drauf vorbereiten. Ich hätte mir auch einen Austausch mit anderen Eltern von Kindern, die schon wieder gesund sind, gewünscht. Da sieht man dann einen Lichtblick, man sieht, es kann weitergehen – das Kind kann gesund werden. Das ist ganz wichtig, weil das viel Kraft gibt.
"Die Begegnung war so emotional, weil Niklas mit allem gerechnet hat, aber nicht damit, dass Max Kruse vor dem Krankenhaus mit dem Lamborghini vorgefahren ist."
Sie hatten selbst ein krebskrankes Kind?
Landgraf: Mein Sohn ist 2011 an Krebs erkrankt, und wir haben mit ihm im Krankenhaus mehr oder weniger zwei Jahre gelebt. Er hatte praktisch eine Hochrisiko-Leukämie, also die schlimmste Form der Leukämie, die man so haben kann. Das war natürlich alles sehr krass für uns, das war eine Herausforderung. Ich hatte große Angst davor, dass er das nicht schafft. Das macht was mit dir. Dann habe ich irgendwann eine innere Wette mit mir selbst abgeschlossen.
Ich habe mir gesagt, wenn das alles überstanden ist, möchte ich auf der anderen Seite stehen und den Menschen helfen, die das alles noch vor sich haben oder gerade durchmachen müssen. Ich hatte damals von Kolibri gehört und nun arbeite ich, neben meinem normalen Job, seit über neun Jahren ehrenamtlich auch als Pressesprecher bei Kolibri. Und mein Sohn, der hat es geschafft, und wird nächstes Jahr 30 Jahre alt.
Was war der schönste Wunsch, den Sie erfüllt haben?
Landgraf: Mit Niklas, das war eine sehr emotionale große Geschichte. Vor drei Jahren war Niklas, ein großer Union-Fan, elf Jahre alt. Er hatte sich damals ein Handy gewünscht. Als ich das dann vorbeigebrachte, hat er mir erzählt, dass es sein absolut größter Herzenswunsch wäre, einmal den Fußballer Max Kruse, der zu dem Zeitpunkt noch bei Union Berlin gespielt hat, kennenzulernen und mit ihm mit seinem Lamborghini einmal durch Berlin zu fahren.
Wir haben Max Kruse kontaktiert und der war sofort dabei. Die Begegnung der beiden war einfach so emotional, weil Niklas mit allem gerechnet hat, aber nicht damit, dass Max Kruse vor dem Krankenhaus mit dem Lamborghini vorgefahren ist. Das Tolle ist, dass Max Kruse sich mit Niklas so toll verstanden hat, dass er Niklas noch zwei Mal besucht hat. Soweit ich weiß, hat er selbst einen Sohn im Alter von Niklas, und das hat ihn tief berührt.
Gibt es denn besondere Wünsche um Advent, zum Nikolaus oder Weihnachten?
Landgraf: Bei uns ist eigentlich jeder Tag Weihnachten! Wir helfen ja nicht nur Kindern, sondern auch Eltern, die vielleicht gerade an Weihnachten in eine finanzielle Schieflage gekommen sind, da es dann auch viele Ausgaben gibt oder einfach keine Zeit, selbst ein Geschenk zu kaufen, weil sie immer im Krankenhaus bei ihren Kindern sind. Was wir aber bemerken, ist, dass wir an Weihnachten mehr von den Leuten wahrgenommen werden. Weil man vielleicht mehr darüber nachdenkt, etwas für andere zu tun.
Aber vor drei oder vier Jahren, das war glaube ich zur Corona-Zeit, da haben wir mal wirklich jedem Kind im Krankenhaus seinen Weihnachtswunsch erfüllt. Das waren 60 Wünsche und wir haben dabei viele Leute gehabt, die uns unterstützt haben. Insgesamt hatten wir fast 30.000 Euro zusammenbekommen. Ich denke, die Corona-Zeit hat da auch einfach viel dazu beitragen.
Die Erfüllung aller 60 Wünsche war eine logistische Hochleistung. Neben dem Einkaufen und dem Verpacken mussten wir den Kindern die Geschenke vorbeibringen. Einige von ihnen sind nur eins oder zwei Wochen zur Chemo im Krankenhaus und danach wieder zu Hause. Aber irgendwie hat das dann alles funktioniert, weil uns auch die Pfleger geholfen haben. Gerade mit dem Helios Klinikum in Berlin-Buch sind wir mittlerweile so zusammengewachsen und so vernetzt, wie es das kein zweites Mal gibt.
Wir werden in viele Entscheidungen mit einbezogen. Die psychologische Betreuung, die Sozialarbeiter, auch die Ärzteschaft und auch die Pfleger nehmen uns in vielen Entscheidungen einfach mit dazu.
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