In Württembergs evangelischer Landeskirche rumort es. Oberkirchenrat und Synode wollen innerhalb einer Dekade rund eine Milliarde Euro sparen. Geld, das für Pensionen und Krankenbeihilfe zurückgelegt werden muss und damit nicht mehr für die tägliche Arbeit zur Verfügung steht. Im Hintergrund kursiert bereits eine "Streichliste" mit Sparvorschlägen. Doch wie konnte es so weit kommen, dass urplötzlich eine solche Riesensumme zurückgelegt werden muss?
Oberkirchenrat Fabian Peters, promovierter Volkswirt und seit 1. Mai dieses Jahres Finanzchef der Landeskirche, erklärt diesen dramatischen Schritt damit, dass man in Württemberg den Abwärtstrend lange unterschätzt habe. Die abflauende Konjunktur etwa, die sich sofort in der Kirchenkasse bemerkbar macht, weil die Kirchensteuer unmittelbar an der Lohn- und Einkommensteuer hängt. Dazu Mitgliederschwund und demografische Entwicklung, die die Zahl steuerzahlender Kirchenmitglieder abnehmen lassen. Im vergangenen Jahr gingen 38 Millionen Euro weniger Kirchensteuer als erwartet ein, im laufenden Jahr wird das Defizit ähnlich aussehen.
Demgegenüber stehen Verpflichtungen für über 4.000 Kirchenbeamte, ganz überwiegend Pfarrerinnen und Pfarrer. Die Hälfte ist noch im aktiven Dienst, die andere Hälfte bereits in Pension. Allen hat die Kirche die Altersversorgung und Beihilfe vertraglich zugesagt, was auf die nächsten Jahrzehnte gerechnet den Betrag von vier Milliarden Euro ausmacht. Zwei Milliarden liegen bereits beim Kommunalen Versorgungsverband Baden-Württemberg und der Evangelischen Ruhegehaltskasse in Darmstadt, eine Milliarde wurde in den vergangenen Jahren zurückgelegt. Das heißt: Es fehlt noch eine Milliarde - und genau die soll nun in neun bis zwölf Jahren zusammengespart werden.
Die Zeit drängt, meint Oberkirchenrat Peters. Schon heute gingen pro Jahr 20 Prozent des landeskirchlichen Haushalts in die Versorgungsleistungen. Aufgrund der finanziellen Entwicklung der Kirche werde es jedes Jahr schwerer, die erforderlichen Beträge beiseitezulegen. "Wir werden nach menschlichem Ermessen finanziell nie mehr so leistungsfähig sein wie heute", sagt der 37-Jährige. Schaffe die Kirche zeitnah den Kraftakt des Sparens, befreie sie die nächste Generation von der Last, einen steigenden Anteil des jährlichen Haushalts für die Versorgungsleistungen zu reservieren. "Wir wollen die Kirche zukunftsfest machen, nicht kaputtsparen", betont der Finanzchef.
Kirchengemeinden nicht belasten
Wie aber kann eine Kirche, deren Haushalt im vergangenen Jahr 777 Millionen Euro umfasste, pro Jahr 100 Millionen wegdrücken? Die Kirchengemeinden vor Ort sollen möglichst wenig eingeschränkt werden, betont Peters. Sie hätten mit dem Pfarrplan, der eine starke Reduzierung der Pfarrstellen vorsieht, bereits große Herausforderungen.
Hohes Einsparpotenzial sieht der Oberkirchenrat beim Abschaffen von Projekten. Laufende Projekte sollen auslaufen, keine neuen genehmigt werden. Das könnte bereits eine Summe von 40 Millionen bringen. Auch der Verkauf oder die Vermietung landeskirchlicher Tagungsstätten ist kein Tabu. Das Haus Birkach in Stuttgart wird Ende 2025 dichtgemacht, die Abgabe der Heimvolkshochschule Hohebuch an das Evangelische Bauernwerk wurde schon vor zwei Jahren beschlossen.
In Gremien der Synode sind sogar leichte Kürzungen bei der Pfarrbesoldung inzwischen Diskussionsthema. Die Kirche befindet sich dabei allerdings in einem Dilemma: Einerseits steht sie im Wort, denn die zugesagten Versorgungsleistungen sind eine Art Versprechen. Andererseits kann ein drastischer Sparzwang nicht einfach eine Gruppe von Leistungsbeziehern verschonen, während in anderen Bereichen radikal gestrichen wird.
Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck hat aus diesem Grund die Leistungen für ihre Pfarrerinnen und Pfarrer um drei Prozent gekürzt.
Bei der Herbstsynode Ende November wird das "Kirchenparlament" in Stuttgart entscheiden, wo es am Ende den Rotstift anlegt. Egal, wo es passiert: "Wir müssen sparen, dass es wehtut - und das kennen wir in Württemberg noch nicht", sagt Oberkirchenrat Peters.