TV-Tipp: "Der Wolf und die sieben Geiseln"

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29. Mai, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Wolf und die sieben Geiseln"
Das grimmige Titelwortspiel ist genau die richtige Visitenkarte für diesen ungewöhnlichen Thriller, der die Geschichte einer Geiselnahme mal ganz anders erzählt.

Emma Mayer (Katja Riemann) ist Psychologin und heuert als nächtlicher Kummerkasten bei einem Mannheimer Radiosender an. Den Job macht zwar schon eine andere, aber als ein Mann anruft, der sich mit mehreren Geiseln in einer Tankstelle verschanzt hat, ist die ohnehin nicht mehr nüchterne Kollegin (Mechthild Großmann) überfordert. Emma fährt zum Ort des Geschehens und lässt sich auf ein gewagtes Frage-und-Antwort-Spiel mit dem Mann (Ben Becker) ein: Liegt sie richtig, lässt er jeweils eine Geisel frei; liegt sie falsch, muss eine Geisel sterben. 

Da sich große Teile der Handlung zunächst im Studio und später im Verkaufsraum der Tankstelle zutragen, ist "Der Wolf und die sieben Geiseln" (Erstausstrahlung war 2016) über weite Strecken ein Kammerspiel-Thriller, der sich ganz auf die beiden Hauptdarsteller konzentriert. Autor Wolfgang Stauch hat Katja Riemann und Ben Becker nicht nur mit cleveren Dialogen und einer Menge Spielmaterial versorgt, sondern die Figuren zudem mit interessanten Biografien versehen.

Der rätselhafte Prolog mit Bildern aus einer marokkanischen Stadt, in der sich Emma offenbar eine Auszeit genommen hat, erklärt sich allerdings erst mit dem verblüffenden Epilog; und das ist nur eine von vielen Überraschungen, die neben der packenden Geschichte den großen Reiz von Stauchs jederzeit plausiblem Drehbuch ausmachen. 

 

Gleiches Lob gebührt Regisseur Torsten C. Fischer. Es ist dabei trotz der ausgezeichneten Musik von Fabian Römer gar nicht mal so sehr der Nervenkitzel, der die Qualität des Thrillers ausmacht, sondern das Katz-und-Maus-Spiel der Psychologin mit dem Geiselnehmer; und natürlich umgekehrt. Emma hat den Vorteil, über einen Sender mit der Außenwelt verbunden zu sein, und auch daraus schöpfen Stauch und Fischer zusätzliche Spannung: Fieberhaft versuchen die Polizei und Emmas Redakteur (Andreas Schmidt) anhand der wenigen Informationen, mehr über den Mann zu erfahren, der tatsächlich Wolf heißt, und so stellt sich schließlich raus, dass er nichts mehr zu verlieren hat und im Grunde die tragische Figur der Geschichte ist.

Die Geiseln sind etwas klischeehaft ausgefallen (die Ängstliche, das Großmaul, die besorgte Mutter), aber das stört nicht weiter. Klugerweise reizt Stauch den Märchenbezug des Titels nicht weiter aus – mit einer Ausnahme: Auch hier gibt es ein Geislein, das sich gewissermaßen im Uhrenkasten versteckt hat; und dieses Versteck befindet sich ausgerechnet in der einzigen Schussbahn, in der die Scharfschützen der Polizei den Geiselgangster ins Visier nehmen können. 

Ähnlich fesselnd wie die Geschichte ist auch die Umsetzung. Kameramann Jürgen Carle hat für den SWR schon eine Vielzahl von Filmen fotografiert und dabei fast immer für eine bemerkenswerte Bildgestaltung gesorgt; vor "Emma nach Mitternacht" dies vor allem bei zwei "Tatort"-Folgen aus Ludwigshafen, "LU" und "Du gehörst mir". Auch diesmal gibt es einige Einstellungen, in denen gerade die Lichtsetzung fasziniert, etwa beim Übergang vom Prolog in Marokko zur ersten Szene in Mannheim, als das nächtliche Licht ganz ähnlich ist, aber der strömende Regen für die deutsche Note sorgt. Bei den Szenen in der Tankstelle ist die Kamera ohnehin immer mittendrin im Geschehen. 

"Der Wolf und die sieben Geiseln" war damals als Auftakt zu einer neuen Reihe geplant, mit der der SWR gewissermaßen an die gemeinsam mit dem WDR produzierten "Bloch"-Filme mit Dieter Pfaff anknüpfen wollte. Deshalb schließt der Film nach dem bitteren Ende auch mit der unausgesprochenen Frage, wer diese Frau wohl ist, die mit "Emma nach Mitternacht" ihre eigene Radiosendung bekommt; Emma Mayer ist sie jedenfalls definitiv nicht.

Die Antworten auf diese und andere Fragen gibt der zweite Film, "Frau Hölle", ebenfalls vom Duo Stauch/Fischer. Die Fortsetzung, "Frau Hölle", ohnehin eher ein Drama, war zwar darstellerisch nicht weniger sehenswert – Corinna Harfouch spielt eine Ingenieurin namens Katharina Holl, die sich für den Einsturz eines Hallenbads verantwortlich fühlt –, hatte allerdings bei weitem nicht die Intensität des Auftakt-Thrillers. Das Interesse des Publikums war ebenfalls deutlich geringer; die Reihe wurde trotz des offenkundigen inhaltlichen Potenzials nicht fortgesetzt. Das Duo Stauch/Fischer hat stattdessen für einige vorzügliche "Tatort"-Episoden aus Köln gesorgt. In "Der Tod der Anderen" (2021) konfrontierten sie das Ermittlerduo mit einem alten DDR-Skandal, in "Vier Jahre" (2022) verkörperten namhafte Schauspieler mit großer Spielfreude namhafte Schauspieler, und zuletzt verliebte sich Max Ballauf in "Diesmal ist es anders" (2024) in eine Mordverdächtige.