TV-Tipp: "37 Grad: Gefährlicher Einsatz"

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28. Mai, ZDF, 22.15 Uhr
TV-Tipp: "37 Grad: Gefährlicher Einsatz"
Die Reportage dokumentiert wie Kriegsreporter:innen und Fotograf:innen arbeiten, deren Bilder und Berichte über die Ereignisse in der Ukraine informieren. Mindestens genauso interessant ist die Frage, was sie antreibt.

In den frühen Achtzigerjahren hat sich das internationale Kino in gleich mehreren Produktionen mit dem riskantesten aller journalistischen Berufsbilder beschäftigt: Filme wie "Die Fälschung" (Regie: Volker Schlöndorff, 1981), "Ein Jahr in der Hölle" (Peter Weir, 1982) "The Killing Fields – Schreiendes Land" (Roland Joffé, 1983) oder "Under Fire" (Roger Spottiswoode, 1983) zeigen, was es heißt, über Kriege, Krisen und Konflikte zu berichten. Zuletzt haben Roman Kuhn und Sonya Winterberg mit ihrem Dokudrama "Die Bilderkriegerin" (2022) der Fotografin Anja Niedringhaus ein filmisches Denkmal gesetzt. Angesichts der lebensbedrohlichen Risiken, die in diesem Metier tagtäglich drohen, ist der Titel der "37 Grad"-Reportage "Gefährlicher Einsatz" fast schon zu harmlos.

Fotograf Vincent Haiges (36), der schon in Schützengraben war, beteuert allerdings, kein Bild sei es wert, dafür zu sterben. Aber auch in Kiew ist es nicht sicher, wie die Journalistin Elisabeth Bauer (29) am eigenen Leib erfährt, als mitten in der Nacht ein Alarm ertönt und sie in die nächste Metro-Station flüchten muss. Das Risiko galt natürlich auch für Daniel Sager, den Autor der Reportage, denn er hat die beiden bei ihren Reisen begleitet.

Sein Film ist auf gleich mehreren Ebenen interessant. Natürlich dokumentiert er auch, wie solche Männer und Frauen arbeiten, deren Bilder und Berichte über die Ereignisse in der Ukraine informieren, aber mindestens genauso interessant ist die Frage, was sie antreibt. Weder Haiges noch Bauer machen den Eindruck, als seien sie "Danger-Freaks", die die Gefahr suchen, im Gegenteil. Sager zeigt, wie akribisch der freiberufliche Fotograf seine Reisen vorbereitet: Jedes Land, erklärt er, habe "eine eigene Gefahrendynamik und eigene Regeln". Er fährt bereits zum achten Mal in die Ukraine, plant den Trip jedoch, als wäre es das erste Mal, um die Risiken zu minimieren. 

Bauer war beim Überfall durch Russland im Februar 2022 bereits vor Ort: Sie hat in Kiew Slawistik studiert. Ihre Sprachkenntnisse sind ein enormer Vorteil gegenüber den Kolleginnen und Kollegen: Sie spricht Ukrainisch und Russisch. Sager begleitet sie unter anderem zur Recherche in einem Dorf in der Nähe, wo sie sich mit einer Frau unterhält, von deren Haus bloß noch die Grundmauern stehen; sie erzählt von Nachbarn, die durch Granaten zerfetzt oder erschossen worden sind. Später fährt die Journalistin nach Butscha; der Name des Kiewer Vororts steht wegen der Kriegsverbrechen, die die russischen Truppen hier begangen haben, stellvertretend für die Grausamkeit dieses Angriffskrieges.

Umso größer ist der Kontrast, als die Journalistin einen Kindergarten besucht; selbst der Luftschutzkeller wirkt mit seinen bunt bemalten Wänden fröhlich. 
Mit Haiges ist Sager, der zuletzt mit seinem sehenswerten Dokumentarfilm "Erfundene Wahrheit" die erstaunliche Geschichte des "Spiegel"-Hochstaplers Claas Relotius rekonstruiert hat, in Richtung Osten in die Nähe der Front gefahren. Der Fotograf, dessen Bilder international gefragt sind, will hier die Arbeit eines Sanitätsbataillons dokumentieren, das verletzte Soldaten in eine Klink transportiert. Bevor er Fotos macht, spricht er mit den Menschen; sie sollen ihm vom Dasein mit dem Krieg erzählen. Das Leid, sagt er, berühre ihn nach wie vor, aber es motiviert ihn auch: Er will "das Grauen vorstellbar machen". Wer seine Bilder betrachtet, soll eine Ahnung davon bekommen, wie es ist, unter solchen Umständen zu leben. Eine weitere Reise führt ihn in den westlichen Teil des Landes und somit in eine Gegend, die auf den ersten Blick vom Krieg verschont geblieben ist; aber natürlich sind auch aus den entlegensten Gebieten Soldaten gestorben.

Haiges beschreibt, was Fotografieren für ihn bedeutet: Er will eine Situation "übersetzen". Ein Bild ist für ihn gelungen, wenn es wiedergibt, was er selbst gefühlt hat: Wie riecht es, was hört man, welche Stimmung herrscht gerade? 
Auch für Bauer sind Gefühle ein wichtiges Motiv ihrer Arbeit. Sie ist keine erfahrene Kriegsreporterin, vor dem russischen Überfall galt ihr berufliches Interesse vor allem kulturellen Fragen. Womöglich unterscheidet sich ihre Arbeit gerade deshalb von der etablierten Auslandsberichtberichterstattung; ihre Artikel erscheinen in mehreren namhaften deutschen Tageszeitungen. Sager wiederum hat auf jegliche Emotionalisierung verzichtet. Sein Kommentar kommt gänzlich ohne jene plakativen Adjektive aus, die im Zusammenhang mit dem russischen Überfall gern verwendet werden: Der Tonfall seiner Reportage ist sachlich, aber nicht gefühllos.