Stäblein: Auflösung von Asylen bereitet Sorge

Christian Stäblein
epd-bild/Heike Lyding
Kirchengemeinden würden es sich nie leicht machen, wenn sie ein Kirchenasyl gewähren, sagte Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Beauftragter des Rates der EKD für Flüchtlingsfragen
EKD zu Kirchenasyl
Stäblein: Auflösung von Asylen bereitet Sorge
Die Abschiebung einer russischen Familie aus einem Kirchenasyl in Uelzen am 12. Mai ist der jüngste Fall einer Auflösung des Kirchenasyls in Deutschland. Diese Entwicklung bereitet der EKD Sorge. Sie sehe Gesprächsbedarf mit den Behörden, sagte Christian Stäblein auf Anfrage von evangelisch.de.

Am Dienstag berichtete der epd, dass Polizei und Land Niedersachsen am Wochenende ein Kirchenasyl im Kreis Uelzen gebrochen hatten, eine russische Familie wurde nach Spanien abgeschoben. Asylgrund ist ein Einzugsbefehl für den Vater und den Sohn der Familie für den Kampf im Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie die medizinische Behandlungsbedürftigkeit der Mutter in Deutschland. 

"Die Auflösung des Kirchenasyls unter massivem Polizeiaufgebot und Vollstreckung von Zwangsmaßnahmen an einer Familie in einer nachweislich schwierigen humanitären und gesundheitlich überaus belasteten Situation wirft deutliche Fragen an den behördlichen Umgang mit dem Kirchenasyl auf. Kirchengemeinden machen es sich nie leicht, wenn sie ein Kirchenasyl gewähren. Dies ist und bleibt für uns ultima ratio", sagte der Beauftragte des Rates der EKD, Bischof Christian Stäblein, zu diesem Fall.

Auch in anderen Bundesländern habe es laut einer Erklärung des Flüchtlingsrates in den zurückliegenden Monaten zum Teil spektakuläre Kirchenasylräumungen gegeben. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl weiß von bundesweit insgesamt sechs angedrohten, versuchten oder vollzogenen Räumungen seit Juli letzten Jahres. Besonders die Vorfälle im Kreis Viersen, NRW und in Schwerin, Mecklenburg-Vorpommern erregten öffentliche Aufmerksamkeit. Dazu kommt ein Fall im Februar aus Rheinland-Pfalz, bei dem ein syrischer Flüchtling unter Einsatz der Polizei aus einem Kirchenasyl geholt wurde.

In einem Podcast, der am Freitag 17. Mai erscheint, greift auch Netzpolitik.org einen dramatischen Fall auf. Sandra Menzel Pastorin im Hunsrück bietet Kirchenasyl an und wird anschließend von der Staatsanwältin überrascht, die den Kirchencomputer mitnimmt und WhatsApp-Nachrichten liest. Sie spricht darin sogar von bewusster Einschüchterung.

Der Anstieg der Meldungen zu Auflösungen von Kirchenasylen ist auch der EKD bekannt. Christian Stäblein: "Es ist in der jüngsten Vergangenheit nun bereits mehrfach zu Auflösungen von Kirchenasylen gekommen – diese Entwicklung bereitet uns große Sorge. Deshalb ist das Gespräch zwischen Kirchen und Behörden so dringlich, damit wir zu einem gemeinsamen humanitären Umgang mit Menschen in akuten Notsituationen gelangen."

Räumungsandrohungen und versuchte oder gar vollendete Räumungen führen zu großer Verunsicherung unter den Kirchenasyl-Gästen sowie den aufnehmenden Pfarrgemeinden und Ordensgemeinschaften, schreibt die BAG in einer Presseerklärung am 13. Mai. Außerdem widersprechen sie in grober Weise der erstmals im Februar 2015 getroffenen, zuletzt im November 2022 angepassten Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den Kirchen, in der es heißt, Kirchenasyl werde "als Ausdruck einer christlich-humanitären Tradition respektiert".

Die Entwicklung seit letztem Sommer sei neu und beunruhigend, meint der Jesuit Dieter Müller, stellvertretender Vorstandvorsitzender der BAG. "Wir fragen uns, ob die Vereinbarung der Kirchen mit dem BAMF noch gilt. Sind Räumungen bzw. deren Androhung, Aktionen einzelner lokaler Ausländerbehörden oder soll damit ein neuer Umgang mit Kirchenasyl eingeleitet werden mit dem Ziel, Pfarreien und Ordensgemeinschaften einzuschüchtern und Kirchenasyl unattraktiv zu machen?"

Im Jahr 2023 wurden laut BAMF bundesweit 2.065 Kirchenasylfälle registriert. Die Zahl der Übernahme-Ersuchen an andere Mitgliedstaaten betrug 74.622. Tatsächlich überstellt wurden jedoch lediglich 5.053 Personen. Damit wird deutlich, dass Kirchenasyl kein bestimmender Faktor bei nichterfolgten Rückschiebungen ist.