evangelisch.de: Herr Petracca, die Taylor-Swift-Gottesdienste sind komplett ausverkauft. Sie sind aber nur zwei von vielen in der Gottesdienstreihe "Citykirche Rock’n’Pop". Wie ist die Idee zu dieser Reihe entstanden?
Vincenzo Petracca: Der Taylor Swift-Gottesdienst steht in einer Reihe musikalischer Gottesdienste, die es seit 2015 gibt. Zunächst wollten wir ausprobieren, ob nicht nur Sakro-Pop als populare Gottesdienstmusik funktioniert, sondern auch Popsongs, die bekannt sind und gern gesungen werden. Wir probierten dies an Beatles-Musik aus, eingebettet in einen Gottesdienst, der sich auch thematisch um die Beatles drehte. Als dies mit 600 Besucher:innen sehr gut aufgenommen wurde, wurde die Reihe "Citykirche Rock’n’Pop" daraus, die sich um ein:e Künstler:in oder eine Band und ihre Musik dreht.
Der Taylor Swift- und die anderen Pop-Gottesdienste sind eingebettet in ein Gesamtkonzept. Als eine Erweiterung klassischer Kirchenarbeit präsentieren wir regelmäßig besondere Gottesdienste und kulturelle Formate. Diesen Juni widmen wir beispielsweise eine Woche dem Urban Dance. Die Ergebnisse aus Workshop und choreografischen Prozessen aus der Woche fließen zusammen in einen Streetdance Gottesdienst und dem Church Battle, einem offenen "Allstyle Dance Battle" mit Gäst:innen aus ganz Europa.
Das Jahresthema der Heiliggeistkirche ist "Entgrenzter Raum". Unser Ziel ist es, den physischen und spirituellen Raum der Kirche zu öffnen und zu entgrenzen. Wir wollen Menschen erreichen und eine Plattform bieten, uns als Kirche kennenzulernen, und möchten insbesondere jüngere Generationen zur Partizipation einladen.
Nach ihrem Volontariat in der Pressestelle der Aktion Mensch arbeitete Alexandra Barone als freie Redakteurin für Radio- und Print-Medien und als Kreativautorin für die Unternehmensberatung Deloitte. Aus Rom berichtete sie als Auslandskorrespondentin für Associated Press und für verschiedene deutsche Radiosender. Seit Januar 2024 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
Was haben die Beatles, Madonna, Peter Gabriel, Bob Dylan, Queen, Michael Jackson und Taylor Swift gemeinsam? Sind sie Anti-Heros?
Petracca: Sie haben gemeinsam, dass sie alle musikalische Superstars sind, die ein interessantes Verhältnis zur christlichen Religion haben, das sich lohnt, in einem Gottesdienst genauer betrachtet zu werden. Es geht mir dabei um einen Dialog zwischen Popkultur und Kirche auf Augenhöhe, daher finde ich die Fragen spannend, die diese Künstler:innen uns als Kirche stellen.
Es geht uns im Taylor Swift-Gottesdienst nicht darum, die Sängerin heiligzusprechen. Wir Evangelische kennen ja auch keine Heiligen. Aus diesem Grund habe ich den Titel "Anti Hero" für den Taylor Swift-Gottesdienst gewählt. Nach einem Song, der als ihr intimstes Lied gilt. Sie selbst sagt: "Der Song ist eine kleine Führung durch alle Dinge, die ich an mir hasse". Im Lied schaut sie auf die Monster, die sie in sich trägt.
Wie sieht das Besucherspektrum aus? Sind es vor allem junge Leute?
Petracca: Ziel des Gottesdienstes ist es, Menschen zu erreichen, die wir als Kirche sonst nicht erreichen. Im Blick sind vor allem jüngere Milieus.
Die ersten, die eine (kostenlose) Karte gebucht hatten, waren Mütter mit 11-, 12jähren Töchter, die zu ihnen sagten: Mama, da gehst du mit mir hin! Das ist eine Situation, die wir als Kirche sonst eher nicht kennen. Oder, da ist der Großvater, der seiner Enkeltochter als Überraschung eine Karte für den Taylor Swift-Gottesdienst schenkt.
Aber es gibt auch das Ehepaar, das an diesem Tag ihre Rubinhochzeit feiern und keine Karte mehr bekommen haben und das mich mit ihrer Geschichte so rührte, dass ich ihnen noch irgendwo Karten aufgetan habe. Es wird eine bunte und ungewöhnliche Gottesdienstgemeinde. Ich hätte gern, dass die 1.200 Leute, die zu diesen zwei Taylor Swift- Gottesdiensten kommen, danach im Herzen berührt herausgehen und in der Seele vielleicht ein bisschen Engelsstaub mit nach Hause nehmen.
Die Taylor-Swift-Gottesdienste finden am 12. Mai um 11 und um 13 Uhr in der Heiligengeist Kirche in Heidelberg statt.