Schwerbehinderte beginnt Vikariat

Katharina Riedel
epd-bild/Catharina Volkert
Eine Idee, wie sie den Segen auch ohne Arme über den Kopf zu heben, spenden kann, hat Vikarin Katharina Riedel schon.
Nordkirche
Schwerbehinderte beginnt Vikariat
Katharina Riedel wird am 2. März als Vikarin in der evangelischen Kieler Luthergemeinde eingeführt. Sie kann Arme und Beine kaum bewegen. Mit ihr bildet die Nordkirche erstmals eine Pastorin mit einer derart schweren Behinderung aus.

Katharina Riedel hat gerade zum dritten Mal ihren neuen Talar übergezogen. Sie ist bereit zum Foto vor der Kieler Lutherkirche, als ein Mann im Rollstuhl auf dem Gehweg vorbeifährt. Er sieht die junge Frau im dunklen Gewand, sein Gesicht strahlt, streckt den Daumen hoch. Katharina Riedel lacht zurück. Auch sie sitzt in einem Rollstuhl.

Katharina Riedel ist neue Vikarin der Kieler Luthergemeinde am Schrevenpark und wird am kommenden Sonnabend (2. März) in ihr Amt eingeführt. Sie ist die erste angehende Pastorin der Nordkirche, die aufgrund einer schweren Behinderung Assistenzbedarf hat und auf den Rollstuhl angewiesen ist.

"Eigentlich sollte das nichts Besonderes sein", sagt sie. "Weite Teile der Gesellschaft schreiben sich die Inklusion auf die Fahne, so auch die Kirche."
Dennoch entspricht es nicht immer der Praxis. Auf der Suche nach einer Kirchengemeinde, die sie ausbildet, war auch eine behindertengerechte Toilette ein Kriterium. Katharina Riedel ist 32, verheiratet, hat einen vierjährigen Sohn. Seit ihrer Geburt hat sie eine Zerebralparese, eine spastische Lähmung in Armen und Beinen. Sie braucht Unterstützung, ob zum Anziehen, Waschen oder um von einem Ort zum anderen zu gelangen. "Ich brauche Menschen, die meine Arme und Beine sind", sagt sie.

In der Nordkirche arbeiten nach Angaben von Pressesprecher Dieter Schulz derzeit etwa 70 Pastorinnen und Pastoren, die eine Behinderung oder Schwerbehinderung haben. "Allerdings hat Frau Riedel eine in der Tat ausgesprochen schwere und sichtbare Behinderung, die es in dieser Art eher selten im Pfarrdienst gibt", erklärt Schulz.Aufgewachsen ist Katharina Riedel in Itzehoe. Wenn sie als Jugendliche ins Kino wollte, konnte sie sich den Film nicht aussuchen. "Ich musste sehen, was im unteren Saal gezeigt wurde. Dort kam ich durch den Notausgang hinein, in alle anderen Säle nicht." Ganz anders erging es ihr bei der Kinder- und Jugendarbeit ihrer damaligen Kirchengemeinde. Hier war sie mittendrin. Die Erfahrungen, die sie dort machte, motivierten sie zum Theologiestudium in Kiel.

Ihr Herz schlägt für die Seelsorge

"Ich möchte Pastorin werden, um Menschen zu begegnen", sagt Riedel. Ihr Herz schlage für die Seelsorge. "Ich möchte den Menschen sagen: 'Pass auf, es gibt etwas, das dich trägt.'" Schließlich habe sie das selbst in ihrem Leben immer wieder erfahren. Oft sähen die Leute aber auch nur den Rollstuhl und nicht sie. "Ich weiß, dass ich unterschätzt werde und die Behinderung überschätzt wird." Schließlich hätten viele Menschen, die im Rollstuhl sind, kognitive Defizite. Das präge das gesellschaftliche Bild. Ein Bild, gegen das Katharina Riedel immer wieder kämpft.

Immer wieder gab und gibt es auch Skeptiker, die fragen, wie das funktionieren soll, mit einer Pastorin wie ihr. Ein Friedhof sei doch nicht barrierefrei. "Es wird anders, aber es gibt Möglichkeiten", sagt Katharina Riedel dann. Sie hat sich schon überlegt, wie sie die Gemeinde segnet. Die Arme kann sie weder hochheben noch weit ausstrecken. "Aber ich kann die Hände vor dem Oberkörper falten", sagt sie.

Der Kirchen-Campus der Ausbildungsstätte der Nordkirche in Ratzeburg rund um das alte Domkloster ist bisher nicht barrierefrei. Er befindet sich im Umbau. "In der Toilette wurde extra eine Stange aus Holz angebracht", beschreibt sie eine provisorische Lösung, die für sie gefunden wurde. "Mir ist der Aufwand nicht unangenehm. Aber ich merke, dass das eine ganz besondere Belastung ist." Noch muss sie in der benachbarten Jugendherberge übernachten.