An einem Tisch rattert ein Timer, während die Schülerin Chira unter Zeitdruck versucht, Bausteine nach einer Vorlage zu stapeln. "Wir mögen Spiele, wo etwas los ist", sagt ihre Mutter Carmen Cimpeanu, die mit ihrem Mann Valentin und Sohn Mircea ebenfalls am Tisch sitzt. Im Familienalltag bleibe selten Zeit zum gemeinsamen Spielen, sagt Carmen Cimpeanu. Deshalb nehmen sie sich diese beim Besuch der "Spielunke", einer Veranstaltung der protestantischen Martinskirchengemeinde im Ludwigshafener Stadtteil Maudach.
Bei dem Spieltreff, der im katholischen Gemeindezentrum stattfindet, wird gewürfelt, es werden Karten gelegt und Spielsteine gezogen. Mario Sandor und seine Frau Andrea, begeisterte Brettspielefans, initiierten das Projekt vor einigen Jahren. Ziel sei gewesen, Menschen die Chance zu geben, Spiele vor dem Kaufen in Ruhe auszuprobieren, sagt Mario Sandor. Dafür waren von Anfang an "Spieleerklärer" im Raum unterwegs, die vermeiden sollten, dass sich die Besucher erst endlos lange durch Spielanleitungen quälen müssen. Dazu kam ein Flohmarkt für gebrauchte Spiele. Alle Einnahmen fließen der kirchlichen Jugendarbeit zu.
Aus Wildfremden werden Spielpartner:innen
Der Spieletag in Maudach ist längst mehr als nur ein Spieleausprobieren. Familien verbringen hier gemütlich Zeit miteinander, Freunde verabreden sich zu gemeinsamen Partien, alle Altersklassen sind zu finden. "Da setzen sich zum Teil wildfremde Leute zusammen", sagt Sandor. Letztes Jahr hätten Flüchtlinge aus der Ukraine die "Spielunke" besucht. So groß wie etwa Hessens größtes Spielefest "Darmstadt spielt" oder die knapp dreitägigen "Karlsruher Spieletage" ist die "Spielunke" nicht. Qualifikationsturniere für die Deutschen Meisterschaften in "Carcasonne" oder "Die Siedler von Catan" finden hier nicht statt.
Aber noch größer zu werden sei auch gar nicht das Ziel, sagt Sandor. Stattdessen sollen weitere Gruppen ermutigt werden, ähnliche Spieletage anzubieten, um Menschen zusammenzubringen. Vor einem Jahr haben sich dafür spielebegeisterte Menschen in der Initiative "Vorderpfalz spielt" zusammengeschlossen. Herzstück ist eine rund 600 Spiele umfassende Spielesammlung des Jugendamts des Rhein-Pfalz-Kreises, die die Mitglieder ehrenamtlich verwalten.
Von "Ufpasse" bis Malefiz
Angeboten werden außerdem Spielefortbildungen, der Schwerpunkt liegt auf dem Spielen in Kinder- und Jugendeinrichtungen. Außerdem vernetzen sich die Mitglieder und helfen gegenseitig aus. Eben zählt Maya Rummel zurückgegebenes Spielmaterial nach. In einer Ecke hat Klaus Geis den Prototyp seines neuen Kartenspiels "Ufbasse" ausgebreitet. Der 64-jährige Spielfan sattelte mit 30 Jahren vom Bankkaufmann zum Sozialpädagogen um. Jetzt ist er in Rente und hat mit "Ebbes" und "Dubbe" schon zwei Kartenspiele selbst entwickelt und erfolgreich vermarktet.
Andrea Sandor versucht, Brettspiele in der Kirchengemeinde zu verankern und konnte dafür Konfirmanden begeistern. Diese spielten beim Seniorennachmittag mit zwei älteren Frauen "Der große Wurf" und "Malefiz". "Spielen ist generationenübergreifend", sagt die Presbyterin, sie seien Brückenbauer. So gibt es Spiele, die von sehenden und sehbehinderten oder blinden Menschen gleichermaßen gespielt werden können. Für ihren Vater habe sie wegen dessen krankheitsbedingten Händezitterns ein magnetisches Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel besorgt, sagt Sandor.
Die Bedeutung des Brettspiels in Deutschland sei weltweit einzigartig, sagt Harald Schrapers. Der Fachjournalist für Brett- und Gesellschaftsspiele ist ehrenamtliches Mitglied der Jury "Spiel des Jahres" und Vorsitzender des gleichnamigen Vereins. Dieser prämiert besonders gelungene Spiele - rund neue 450 Spiele erscheinen jährlich.