Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl aus der Evangelischen Landeskirche in Württemberg sagte: "Vom Glauben reden ist also kein Marketingkonzept für die Kirche. Ob die Menschen zustimmen oder den Kopf schütteln kann nicht Maßstab sein." Die Kirche müsse mit der Zeit gehen, passe sich nicht dem Zeitgeist an. "Das Wort Gottes zählt"! so Gohl. "Letztlich muss jeder und jede für sich selbst entschieden, was das für den eigenen, den persönlichen Glauben bedeutet. Wer aber eine Antwort gefunden hat, soll dazu stehen."
In der Ulmer Martin-Luther-Kirche hatten die Pfarrerskinder Hans und Susanne Hirzel, die eng mit den Geschwistern Scholl befreundet waren, im Jahr 1943 Flugblätter gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten vorbereitet und von dort aus in den Umlauf gebracht. Gohl rief im Gottesdienst in der Martin-Luther-Kirche dazu auf, Antisemitismus mutig entgegenzutreten: "Nein zu Antisemitismus. Da sind wir uns in der Kirche einig. Hoffentlich auch in der ganzen Gesellschaft. Aber öffentlich gegen Antisemitismus einstehen, so wie es jetzt gefragt ist, das ist unbequem." Mit der Kraft Gottes im Rücken sei ein Schweigen aber nicht möglich, so Landesbischof Gohl.
Das Schwerpunktthema "Sprach- und Handlungsfähigkeit" stand auch im Mittelpunkt des Präsidiumsberichtes, den die Präses der Synode der EKD, Anna-Nicole Heinrich, zur Eröffnung des Plenums vor den 128 Synodalen hielt: "Die kirchliche Stimme wird umso überzeugender, je klarer sie in den heilvollen Erzählungen der Bibel gründet, je authentischer sie mit persönlichen Glaubensüberzeugungen zusammenstimmt und je praktischer sie sich im eigenen Engagement widerspiegelt", sagte Heinrich.
Auf die Sprachfähigkeit käme es insbesondere dann an, "wenn wir uns außerhalb unseres vertrauten kirchlichen Umfelds bewegen, wenn wir unseren "Safe Space" verlassen. Wenn wir da vom Glauben reden, wo es nicht mehr erwartet wird oder eben nicht selbstverständlich ist." Sprachfähig zu sein bedeute, auf Fragen, Zweifel oder erste Versuche eingehen zu können, eine hörende und dialogorientierte Kirche zu sein. "Sprach- und Handlungsfähigkeit im Glauben heißt gerade nicht, sich mit sich selbst zu beschäftigen, sondern sich aus dem Glauben heraus, klar mit Bezug auf die Botschaften des Glaubens verständlich, wahrnehmbar einzubringen und Position zu beziehen. Reden und Handeln gehören dabei untrennbar zusammen." Für sie persönlich komme dem Gebet eine besondere Bedeutung zu: "Weil Gebet für mich der Ort ist, an dem ich Sachen zusammenbringe, die ich sonst nicht zusammenbringen kann, die oft in einer eigentlich unzusammenbringbaren Spannung stehen."
Transparenz als Glaubwürdigkeitsfaktor
Um glaubwürdig Kirche sein zu können, sei aber auch ein entschiedener und transparenter Umgang mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt notwendig, so die Präses, die auch Mitglied des Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt ist. "Als Synode haben wir in den vergangenen Jahren in verschiedenen Formen und Beschlüssen immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass wir keinerlei Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und Formen der Diskriminierung tolerieren", sagte Heinrich.
Auch für die Synodentagung in Ulm wurde ein eigenes Schutzkonzept erarbeitet. Erstmals wurde bei der Tagung ein Awareness-Team eingerichtet, das für alle Synodalen und Teilnehmenden der Tagung ansprechbar ist und als Melde- und Clearingstelle tätig ist.