Monika (Ursula Strauss) ist Mitte bis Ende vierzig und damit in einem Alter, in dem viele Frauen darüber klagen, unsichtbar zu werden; auch sie hat dieses Phänomen bereits verspürt. Eine Familie hat die Kunsthistorikerin nie gegründet, ihre internationale Karriere war ihr stets wichtiger. Derzeit ist sie Kuratorin der Kunsthalle Frankfurt. Als sie erfährt, dass ihr Chef (Alex Brendemühl) das Haus verlassen wird, ist sie erst mal schockiert, weil eine neue Leitung erfahrungsgemäß auch auf neues Personal setzt, aber dann bewirbt sie sich kurzerhand selbst um die Nachfolge.
Ihre Aussichten sind gar nicht schlecht, zumal sie fester Bestandteil der Frankfurter Kulturschickeria ist. Auch privat eröffnet sich ein unerwartetes Glück: Durch Zufall lernt sie Joseph (Passi Balende) kennen; der kongolesische Geschäftsmann ist auf der Suche nach Investoren für seine Diamantenmine. Monika wirkt wie befreit, sie scheint die Zügel ihres Lebens wieder im Griff zu haben; doch das Hoch ist nicht von Dauer.
Bierwirth hat ihren ersten Langfilm mit großer Behutsamkeit und Bedacht inszeniert. Geduldig schaut die Kamera (Jenny Lou Ziegel) dabei zu, wie Monika langsam verschwindet. Die Österreicherin Ursula Strauss hat in vielen Komödien Frauen voller Energie verkörpert; hier hält sie sich betont zurück. Die leidenschaftliche Liaison mit Joseph lässt die Kuratorin die ganze Oberflächlichkeit des intellektuellen Smalltalks erkennen. Die Beziehung wird jedoch immer wieder getrübt, weil Joseph keine gültigen Papiere hat. Lange bleibt zudem offen, ob er tatsächlich potenziell schwerreich oder bloß ein ganz gewöhnlicher Krimineller ist; einige der Männer, mit denen er sich umgibt, machen einen ziemlich zwielichtigen Eindruck.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Aber das ist ohnehin nur die Fassade der Geschichte. Im Grunde behandelt das Drehbuch, das die Regisseurin gemeinsam mit Hannes Held geschrieben hat, eine ganz andere Frage: Ist eine Beziehung zwischen einer deutschen Frau und einem schwarzafrikanischen Mann angesichts all’ der historischen und kulturellen Unterschiede überhaupt möglich? Kann ihre Liebe die postkolonialen Strukturen überwinden? Bierwirth gesteht, dass sie die Ehe ihrer Mutter, die mit einem Kongolesen verheiratet war, anfangs misstrauisch beobachtet hat. Die Filmhandlung hat zwar überhaupt nichts mit dieser Ehe zu tun, aber einige Erfahrungen sind laut Bierwirth eingeflossen, darunter die Erkenntnis, welche Kraft und Mut es braucht, um eine Liebe zu leben, der keine Chance eingeräumt wird.
Tatsächlich entwickelt sich zwischen Monika und Joseph bald ein Gefälle. Anfangs füllt er in ihrem Leben eine Lücke, deren tatsächliches Ausmaß ihr womöglich erst durch ihn bewusst wird. Sie wiederum wird für ihn zum Wegweiser im Behördendschungel, zumal er kein Deutsch spricht. Als er vorübergehend im Gefängnis landet, zahlt sie die Kaution und nimmt ihn bei sich auf. Plötzlich befindet sich der stolze Kongolese in einer eindeutigen Abhängigkeit, und das gefällt ihm gar nicht. Sein Vater, sagt er im Verlauf einer der sich nun häufenden Auseinandersetzungen, sei kolonialisiert worden, er jedoch nicht, und deshalb erwartet er Respekt.
Eindeutige Hauptfigur des Films ist zwar Monika, aber Bierwirth wechselt zwischendurch einige Male die Perspektive, um den allgegenwärtigen Rassismus zu schildern, die Angst bei Personenkontrollen und generell die Schwierigkeit, als Asylsuchender in Deutschland Fuß zu fassen. Das erzählt "Le Prince" allerdings eher beiläufig und zu Beginn sogar komisch, als sich Joseph im Hinterhof einer Bar vor der Polizei versteckt und Monika zu seiner unfreiwilligen Komplizin wird.
Diese Ebene bleibt zwar präsent, aber die Handlung konzentriert sich mehr und mehr auf den inneren Druck der Beziehung. Joseph ist ohnehin weit mehr als bloß ein Stellvertreter aller Schwarzafrikaner. Als Monikas Kulturfreunde ihn vom Gespräch ausschließen, indem sie sich auf Deutsch unterhalten, wirkt er nicht etwa verärgert, sondern wie ein Mann, der die Kunsthalle kaufen könnte, wenn er wollte; seine Freunde begrüßen ihn gern als "Le Prince". Der französisch-kongolesische Rapper Passi Balende ist eine ausgezeichnete Besetzung für diese Rolle und ein perfekter Spielpartner für Strauss. Schade nur, dass Bierwirth und Held kein richtiges Ende eingefallen ist. Die späte Sendezeit ist ebenfalls bedauerlich; der Film steht bereits in der Mediathek.