TV-Tipp: "Der Fuchs"

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15. November, Arte, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Fuchs"
Der heutzutage in jeder Hinsicht schwer fassbare Begriff "Verdingkinder" steht für ein düsteres Schicksal: Waren Eltern aus Armutsgründen nicht in der Lage, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern, wurden die Kinder woanders untergebracht, wo sie für Kost und Logis arbeiten mussten.

Was nach Mittelalter klingt, war zum Beispiel in der Schweiz bis in die Sechziger- und in Einzelfällen sogar bis in die Siebzigerjahre durchaus gebräuchlich. Für viele Kinder war die Fremdunterbringung die Rettung vor dem Tod durch Hunger oder Krankheit, aber natürlich kam es auch zu Ausbeutungen sowie zu seelischen oder körperlichen Misshandlungen. Einige dieser Erlebnisse, zu denen im weitesten Sinn auch "Oliver Twist" von Charles Dickens zählt, sind verfilmt worden: In "Schwabenkinder" (2003) erzählt Jo Baier die authentischen Ereignissen nachempfundene Geschichte eines Jungen aus Tirol, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von seinem Vater ins Schwabenland geschickt wird.

Adrian Goigingers Film "Der Fuchs" beginnt ebenfalls in Österreich: Irgendwo im Pinzgau im Salzburger Land kommt eine Familie Ende der Zwanzigerjahre mehr schlecht als recht über die Runden; also beschließen die Eltern, ihren Jüngsten in die Obhut eines Bauern zu geben. Die ersten Bilder wirken durchaus idyllisch: Das Licht in der nur durch den Schein des Feuers erhellten Hütte ist heimelig, der Vater (Karl Markovics) beginnt ein Lied, alle stimmen ein. Die Stimmung kippt abrupt, als der zukünftige Ziehvater (Cornelius den kleinen Franz abholt. Die Mutter schlägt dem Jungen die Tür vor der Nase zu, der Vater wendet sich ab; die Verzweiflung seines Sohnes bricht ihm das Herz. Zwei Filmstunden später wird sich diese Szene in ganz ähnlicher Form, nun erst recht zu Tränen rührend, wiederholen. 

Der gebürtige Salzburger Goiginger (Buch und Regie), für sein Debütdrama "Die Beste aller Welten" (2018) über eine süchtige Mutter und ihren kleinen Jungen vielfach ausgezeichnet, erzählt mit seinem dritten Spielfilm die Geschichte seines Urgroßvaters. Die "Verdingung" ist der Prolog, anschließend springt die Handlung ins Jahr 1937: Franz (Simon Morzé) ist jetzt volljährig, der Bauer muss ihn ziehen lassen. Er schreibt ihm ins Zeugnis, der junge Mann habe seine Aufgaben zur Zufriedenheit erledigt, es mangele ihm jedoch an Respekt. Franz, arbeits- und obdachlos, verdingt sich erneut, nun als Soldat. Den "Anschluss" Österreichs spart der Film kurzerhand aus, es folgt ein zeitlicher wie auch geografischer Wechsel: Im Mai 1940 sammeln sich im westlichen Rheinland die Truppen für den Frankreichfeldzug. Franz, mittlerweile Obergefreiter und Kradmelder, ist ein Eigenbrötler. Als er sich wieder mal von den Kameraden absondert, entdeckt er im Wald einen kleinen Fuchs; die Mutter ist in einer Falle verendet. Kurzerhand nimmt er den Welpen mit, lässt die verletzte Pfote vom Stabsarzt behandeln und versteckt das Tier im Beiwagen seines Motorrads. 

Fortan schildert Goiginger in bewegenden Bildern, wie sich zwischen den beiden Seelenverwandten eine innige Beziehung entwickelt. Als die Truppe abrücken soll, ignoriert Franz sogar den Befehl zum Aufbruch, weil jemand den Fuchs entdeckt und verscheucht hat. Bereits einige Wochen später sind weite Teile Frankreichs erobert. Der Film wandelt sich nun vorübergehend zur zögerlichen Liebesgeschichte: Die Soldaten feiern den Sieg, aber Franz hat keine Lust auf Wein, Weib und Gesang. Also zieht er auf eigene Faust los und lernt die junge Marie (Adriane Gradziel) kennen. Die Begrüßung ist verständlicherweise reserviert, und das nicht nur, weil er der Feind ist: Der Fuchs hat ihre Hühner gejagt. Trotzdem nimmt sie beide bei sich auf und teilt ihr karges Mahl mit ihnen. Als Franz wegen Befehlsmissachtung zehn Tage in Haft kommt, sorgt er sich ums "Füchserl", aber Marie hat sich um das Tier gekümmert. 

Natürlich kann das Glück nicht von Dauer sein, und so wiederholt sich ein Jahr später in anderer Form die herzzerreißende Szene aus dem Prolog. Immerhin ist dies nicht das Ende: Goiginger beschließt die Geschichte mit einem nicht minder berührenden Epilog. Jetzt erst wird das eigentliche Thema des Films deutlich: "Der Fuchs" ist zwar ein Kriegsdrama, selbst wenn Goiginger die grausigen Folgen des Feldzugs eher beiläufig einstreut, aber eigentlich geht es um Vergebung. Simon Morzé hat für seine Leistung den Deutschen Filmpreis 2024 als Bester Hauptdarsteller bekommen, "Der Fuchs" wurde zudem als Bester Film ausgezeichnet. Die behutsame Bildgestaltung und das Tiertraining sind allerdings ebenfalls bemerkenswert.