TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Messer am Hals"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
29. Juni, NDR, 22:00 Uhr
TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Messer am Hals"
Die Geschichte spielt in Dalmatien, aber Christoph Darnstädt wird sein Drehbuch auch mit Blick auf die politischen Verhältnisse in Deutschland geschrieben haben. Der 2018 erstausgestrahlte vierte "Kroatien-Krimi" war damals der bis dahin beste Film mit Neda Rahmanian als Kriminalkommissarin in Split, denn Branka Mari? hat es diesmal mit einem Gegner zu tun, der nicht zu fassen ist.

"Messer am Hals" beginnt mit einer kleinen Irritation: Ein Mann spricht direkt in die Kamera. Alsbald zeigt sich jedoch, dass die Bilder aus einem Wahlwerbespot stammen: Ivica Strugar (Dominic Raacke) will Bürgermeister von Split werden und zieht alle rechtspopulistischen Register. Seine Auftritte sind gespickt mit Warnungen vor einem "am Liberalitätswahn siechenden Europa". Seine Kampfansagen gelten den Flüchtlingen ebenso wie der Drogenmafia, sein Wahlkampfmotto lautet "Split First"; vermutlich hat es Darnstädt großen Spaß gemacht, den Politiker, im Hauptberuf Besitzer einer Baumarktkette, als Mini-Trump zu entwerfen.

Zum Krimi wird die Geschichte, als Strugar nur knapp einem Anschlag entkommt. Den einen Attentäter kann er erschießen, der andere flieht. Weil die beiden für einen stadtbekannten Gangster (Hannes Hellmann) arbeiten, wirkt der Angriff, den Strugar umgehend ausschlachtet, wie eine Reaktion des Rauschgiftkartells, aber Kommissarin Mari? glaubt das nicht. Sie findet raus, dass Strugar, dessen Ansichten sie aus tiefstem Herzen verabscheut, einst Aufseher in einem Kinderheim war, in dem auch die beiden Attentäter aufgewachsen sind; er hat seine Schutzbefohlenen regelmäßig misshandelt.

Dem Ansehen des Politikers kann diese Information jedoch nichts anhaben, im Gegenteil: Strugar geht in die Offensive und versichert öffentlich, er habe mit seiner harten Haltung echte Kroaten aus den Jungs machen wollen; prompt steigt die Zustimmung der Wähler. Als ein früherer Kollege des Kandidaten ermordet wird und die Tat dem zweiten Attentäter in die Schuhe geschoben werden soll, ist Branka überzeugt, Strugar endlich zu fassen zu kriegen, doch der letzte überlebende Zeuge der damaligen Ereignisse weigert sich, gegen den Politiker auszusagen: ihr eigener Kollege Emil (Lenn Kudrjawizki). 

Schon die Geschichte ist äußerst interessant, aber noch besser sind die Hauptfiguren und ihre Darsteller. Dominic Raacke versieht den narzisstischen Politiker mit genau der richtigen Mischung aus Charisma und Arroganz, um ihn zu einem faszinierenden Gegenspieler für die Kommissarin zu machen. Er vermeidet es geschickt, den Kandidaten als Karikatur eines Populisten zu verkörpern; Strugars absurd klingende Aussagen, die Hass und Zwietracht säen sollen, entsprechen den gängigen AfD-Parolen.

In einer verstörenden Szene zeigt sich, dass seine Abgründe noch viel tiefer sind: Er würgt seine Wahlkampfmanagerin Nada (Edita Malovcic), setzt ihr ein Messer an die Kehle und zwingt sie zu sexuellen Handlungen. Später stellt sich raus, dass die Frau in dieser Konstellation nur dem Anschein nach ein Opfer ist; gerade deshalb soll sie in dem gewagten Plan, mit dem Branka den Sadisten zu Fall bringen will, eine maßgebliche Rolle übernehmen. Beim finalen Auftritt, als das Schicksal des Populisten besiegelt ist, muss Raacke dann allerdings doch noch Verrat an der Figur begehen. Strugars letzte Pressekonferenz entspricht zwar seiner Selbstüberschätzung, wirkt jedoch, als hätten Darnstädt und Regisseur Michael Kreindl den Mann endgültig demaskieren wollen (oder müssen).

Ähnlich wie im dritten Film der Reihe, "Mord auf Vis", ist auch die Integrierung der privaten Erzählstränge nicht recht geglückt. Die Begegnung von Brankas beiden Liebhabern (Aleksandar Jovanovic,  Andreas Guenther), die sich überraschend gut verstehen, ist immerhin ein interessanter Farbtupfer. Eine zweite Ebene, die sich ebenfalls von Anfang an durch alle Episoden zog, wirkt dagegen wie ein Fremdkörper: Damit Brankas Mutter (Adriana Altaras) endlich ihren vermeintlich im Bürgerkrieg gefallenen Sohn loslassen kann, will die Kommissarin ein Begräbnis mit einem falschen Skelett arrangieren, doch ihr Chef (Max Herbrechter) weigert sich, den Totenschein zu unterschreiben.

Deutlich besser passen die regelmäßigen tribunalartigen Auftritte Brankas vor dem "Dezernat" ins Konzept: Die alten bis uralten Männer sind eine Art Pendants zu Waldorf und Statler, den beiden Grantlern aus der "Muppet Show", und repräsentieren die Seilschaften, die vermutlich schon zu Titos Zeiten die Strippen gezogen haben. Auch diese Szenen spielt Neda Rahmanian mit eindrucksvoller Souveränität. Die gebürtige Iranerin scheint die ganze Bandbreite ihrer Rolle regelrecht auszukosten; wenn Branka bei ihren Ermittlungen mal den Weg der Legalität verlässt, geschieht das stets mit einem Augenzwinkern.

Abgerundet wird die Figur durch die auffallend elegante und geschmackvolle Kleidung sowie das flotte rote Cabrio deutscher Bauart. Gemessen an den Bezügen der Drehbücher zur kroatischen Geschichte mögen diese Details banal wirken, aber sie tragen ebenso wie die Musik (Titus Vollmer ) und die sorgfältige Bildgestaltung (Stefan Spreer) ihren Teil dazu bei, dass "Messer am Hals" den kleinen Einwänden zum Trotz rundum gelungen ist.