Appelle für mehr Solidarität und Mitmenschlichkeit haben am Donnerstag den evangelischen Kirchentag in Nürnberg geprägt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief am Morgen bei einer Bibelarbeit zum Einsatz für die Demokratie und zu "trotzigem Mut" auf, um den weltweiten Krisen mit dem Willen zu Veränderung zu begegnen. Unter Applaus in der voll besetzten Messehalle rief er: "Gemeinsam werden wir diese Demokratie in diesem Lande verteidigen."
"Wir können das Leid nicht abschaffen, und selten sofort, aber wir können die Zustände verbessern", erklärte der evangelische Christ Steinmeier. Dabei verwies er auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Flüchtlingslager an den EU-Außengrenzen.
Der gesellschaftliche Zusammenhalt hat für die Medizinethikerin Alena Buyx ein stückweit nachgelassen. "Aber das ist nicht gleichbedeutend mit einer zersplitterten oder gespaltenen Gesellschaft", sagte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. In den USA gebe es hingegen eine Lagerbildung, in der Familien und Freunde nicht mehr untereinander sprechen.
Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, hält das Motiv der Gemeinschaft essenziell für ein Gefühl von Halt. Das gelte sowohl für Menschen innerhalb als auch außerhalb der Kirche. Auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, forderte mehr Freude an demokratischer Mitwirkung. Es brauche wieder eine "Kultur der Freude an der Demokratie", sagte Harbarth auf dem Kirchentag.
Weiteres Schwerpunktthema war der menschliche Umgang mit Flüchtlingen. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bekräftigte seine Ablehnung der von den EU-Innenministern geplanten Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. "Faktisch halten wir uns das Leid vom Leibe. Und das dürfen wir nicht", sagte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Nürnberg.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Christian Sewing, zeigte sich zuversichtlich, dass Deutschland und Europa die gegenwärtigen Krisen meistern. "Wer hätte vor zwölf Monaten gedacht, dass wir uns aus einer 52-prozentigen Abhängigkeit von russischem Gas befreien können?", fragte Sewing in einer gemeinsamen Bibelarbeit mit dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel.
In einem ökumenischen Gottesdienst in St. Lorenz wurde zu mehr Miteinander zwischen Katholiken und Evangelischen sowie zwischen den Religionen aufgerufen. Jesus Christus sei ein Brückenbauer zwischen "Himmel und Erde" und zwischen den Menschen gewesen. Dies sei auch ein Auftrag an die heutigen Christen.
Am Donnerstag war der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg in sein Veranstaltungsprogramm gestartet. Dabei standen aktuelle gesellschaftliche Themen wie Klimakrise, Flucht und Ukraine-Krieg auf dem Programm. Bis Sonntag wollen Zehntausende Besucher des Christentreffens ihren Glauben feiern und aktuelle Themen besprechen. Auf dem Programm stehen mehr als 2.000 Veranstaltungen in Nürnberg und Fürth. Zur Eröffnung am Mittwoch waren laut Veranstaltern rund 130.000 Menschen zu einem "Abend der Begegnung" zusammengekommen.