TV-Tipp: "Kampf um die Freiheit"

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Dienstag, 13. Juni, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Kampf um die Freiheit"
Die ZDF-Dokumentation schildert mit Hilfe von lebenden und verstorbenen Zeitzeug:innen, wie die Deutschen in den letzten 175 Jahren unter Einsatz ihres Lebens für die Demokratie gestritten haben. 

Fast achtzig Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass die Demokratie in Gefahr sei, fast 85 Prozent betrachten es als Aufgabe der Bundesregierung, sich noch stärker für eine lebendige und starke Demokratie einzusetzen; umso erstaunlicher, dass dennoch regelmäßig mehr als die verbliebenen 15 Prozent eine explizit antidemokratische Partei wählen. Auch ihnen sei daher die ZDF-Dokumentation "Kampf um die Freiheit" ans Herz gelegt. 

Der Film beginnt allerdings nicht im Frühjahr 1848 mit der sogenannten Märzrevolution, als sich die Menschen in ganz Europa für Freiheit und Grundrechte erhoben, sondern mit dem ostdeutschen Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953. Dieses jahrzehntelang als Tag der deutschen Einheit gefeierte Datum ist im kollektiven Gedächtnis durch die Wiedervereinigung 1990 etwas in Vergessenheit geraten.

Die Unruhen hatten schon einige Tage zuvor begonnen, aber am 17. Juni wurden große Betriebe überall in der DDR bestreikt. Die Schwarzweißbilder zeigen eine gewaltige Demonstrationsmenge am Brandenburger Tor, zwei Jugendliche holen die rote Fahne runter. "Woher nehmen die Menschen den Mut, sich gegen den Staat, gegen die Unterdrückung aufzulehnen und dabei ihr Leben aufs Spiel zu setzen?", fragt sich Moderator Mirko Drotschmann, der quer durchs Land die wichtigsten Schauplätze der verschiedenen historischen Daten aufgesucht hat.

"Kampf um die Freiheit" ist eine Produktion aus der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte und wird im Rahmen der Reihe "Terra X History" ausgestrahlt. Anders als bei klassischen Dokumentarfilmen, in denen Inszenierungen verpönt sind, füllen Spielszenen jene Lücken, die sich zum Beispiel angesichts zwangsläufig fehlender zeitgenössischer Filmaufnahmen aus dem Jahr 1848 ergeben haben.

Darüber hinaus haben die kreativen Köpfe rund um Produzent Stefan Schneider einen Weg gefunden, um die Ereignisse dennoch aus Sicht eines Zeitzeugen zu erzählen: Die Erlebnisse des Revolutionär Carl Schurz werden mit Hilfe animierter Sequenzen geschildert. Die im Stil von Comic-Romanen gehaltenen Zeichnungen spielen auch bei den jüngeren Ereignissen eine Rolle und sorgen zudem für optische Abwechslung. Davon abgesehen gehören diese Momente ohnehin zu den spannendsten des Films.

Im Unterschied zu vergleichbaren Dokumentationen hat das Team der Produktionsfirma Gruppe 5, die viele Beiträge für "Terra X" herstellt, auf die üblichen Sachverständigen verzichtet. Für die Vermittlung der Hintergrundinformation sorgt Drotschmann (Jahrgang 1986), der als Betreiber und Moderator des YouTube-Kanals MrWissen2go gerade mit Blick auf ein junges Publikum ohnehin eine gute Wahl ist. Ansonsten setzt der Film neben Ausschnitten etwa aus Jahres-Chroniken (1953) oder Nachrichtenmaterial (1989) ganz auf Schilderungen aus erster Hand.

Zeitzeugin des Umsturzes 1918 und der Gründung der Weimarer Republik ist die Berliner Grafikerin, Malerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz, engagierte Pazifistin und Verfechterin der Demokratie. Der mittlerweile 95 Jahre alte Edzard Reuter, bis 1995 Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG, hat als Sohn des späteren Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter hautnah miterlebt, wie sein Vater angesichts der russischen Blockade im September 1948 die Völker der Welt zur Solidarität mit Berlin aufrief ("Schaut auf diese Stadt!"). Im Westen des Landes entstand im Jahr drauf die Bonner Republik mit einer für die damalige Zeit ausgesprochen fortschrittlichen Verfassung: Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte waren Männer und Frauen gleichberechtigt.

Fesselnd ist auch der Rückblick auf den Herbst 1989, obwohl die Bilder allen, die damals keine Kinder mehr waren, noch sehr präsent sind. Zeitzeugin ist die Schauspielerin Franziska Hayner, die am Abend des 9. Oktober auf dem Marktplatz in Halle verhaftet wurde, als sie prügelnde Volkspolizisten lauthals mit Nazis vergleich.

Zu kurz kommt allerdings ein Aspekt, den Drotschmann ebenfalls gleich zu Beginn aufwirft: "Was hat das heute mit uns zu tun?" Im ZDF-Pressematerial wird er deutlicher, wenn er über aktuelle Angriffe auf die Demokratie spricht. Bedenklich seien nicht einzelne Ereignisse, sondern das eingeträufelte Gift, das eine gefährliche Instabilität bewirken könne: "Dieses Schleichende ist etwas, das wir bekämpfen müssen und dessen wir uns bewusst sein müssen. Der Nationalsozialismus kam auch nicht über Nacht."