Kritischer Blick auf die Missionsgeschichte

Deutsche Missionare taufen in Deutsch-Ostafrika Eingeborene
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Deutsche Missionare taufen in Deutsch-Ostafrika Eingeborene. "Ein Aspekt der Kolonisierung ist die Religion. Der Grund dafür ist, dass die Kolonisierenden auf die Kolonisierten herabschauen und davon überzeugt sind, dass die eigene Kultur überlegen ist.", schreibt Fidon R. Mwombeki von der Allafrikanischen Kirchenunion.
Evangelische Mission
Kritischer Blick auf die Missionsgeschichte
Zwischen Kolonisation und Mission gibt es historisch betrachtet eine starke Verbindung. Wir sind daher aufgerufen, uns kritisch mit der Missionsgeschichte auseinanderzusetzen und aus ihr zu lernen – um gemeinsam Mission im Sinne eines interkulturellen und globalen Zeugnisses zu betreiben, findet der Generalsekretär der Allafrikanischen Kirchenkonferenz, Fidon R. Mwombeki.

Als ich in Deutschland lebte, arbeitete ich in der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) und war für einige Jahre Mitglied des Rates der EKD (2005-2015). Während dieser Zeit wurde ich immer wieder nach den Verbindungen zwischen deutscher Mission und dem Kolonialismus gefragt. Dabei ist es wichtig, im Kopf zu behalten, dass die afrikanischen Länder eine unterschiedliche Kolonialgeschichte haben. Als Christ:innen sind wir dankbar und quasi die Frucht der Mission, die mit dem Kolonialismus begonnen hat, die aber durch uns Afrikaner:innen noch lange nach dem Kolonialismus weitergeht. Einige wichtige Aspekte und Herausforderungen von Mission und Kolonisation möchte ich im Folgenden aufgreifen.

Der Kolonialismus ist Teil der Menschheitsgeschichte, aber Afrika wird bis heute als am stärksten betroffen wahrgenommen. Liegt das an der anhaltenden Armut? Der menschliche Wunsch, andere zu beherrschen, war schon zu biblischen Zeiten vorhanden, und heute ist fast jedes Land der Welt irgendwann einmal kolonisiert worden. Warum hat Afrika immer noch mehr unter den Folgen des Kolonialismus zu leiden als alle anderen Länder (in Asien, Amerika usw.)?

Die Kolonisierung hat Auswirkungen auf die Mentalität der Menschen, auf Kultur und auf die Wirtschaft. Ein Aspekt der Kolonisierung ist die Religion. Der Grund dafür ist, dass die Kolonisierenden auf die Kolonisierten herabschauen und davon überzeugt sind, dass die eigene Kultur überlegen ist. Religiöse Überzeugungen sind existenziell und bestimmen in hohem Maße, wie Menschen leben. Die Weitergabe von religiösen Überzeugungen ist also immer Teil des Kolonialismus.

Deutschland als Kolonialmacht

In der jüngeren Kolonialgeschichte war Europa der Hauptverursacher des Kolonialismus. Kein Kontinent ist vom europäischen Kolonialismus verschont geblieben, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Betrachten wir die Rolle Deutschlands in diesem Zusammenhang. Trotz der Tatsache, dass die Europäer Afrika 1884 in Potsdam aufteilten, war der deutsche Kolonialismus, meiner Einschätzung nach, zu spät, ineffektiv und ein kläglicher Fehlschlag. Viele der deutschen Anführer vor und einschließlich Bismarck waren nicht sonderlich daran interessiert, Menschen zu kolonisieren. Und nur widerwillig schlossen sie sich dem Zug an, der hauptsächlich von privaten Handelsgesellschaften initiiert wurde. Und Handelsinteressen bestimmten in den meisten Fällen ihr Tun.

Die deutsche Kolonialherrschaft war von sehr kurzer Dauer, in Erinnerung bleiben jedoch auch brutale Vorfälle. Bernhard Dernburg, 1906 Direktor der Kolonialabteilung des Deutschen Kaiserreiches und von 1907 bis 1910 Staatssekretär des Reichskolonialamts reiste per Sänfte durch Deutsch-Ostafrika.

In Afrika bekam Deutschland selbst nur das, was übrig blieb, da die lukrativsten Gebiete bereits besetzt waren. Zudem war die deutsche Kolonialherrschaft von sehr kurzer Dauer: nur 30 Jahre, von 1884 bis 1914! Im Allgemeinen war die Herrschaft nicht so brutal wie die anderer, insbesondere die von Frankreich, Großbritannien und Belgien. Es gab bemerkenswerte Zeugnisse dafür, dass Deutschland die Rechte der indigenen Menschen mehr als in anderen Kolonien respektierte. Daher lautete einer der Vorwürfe der Brit:innen gegen die Rückgabe von Kolonien an Deutschland während des Versailler Vertrags, dass es versäumt habe, die Menschen in seinen Gebieten zu "zivilisieren", und dass es ihm an "kolonialer Eignung" fehle.

Völkermord bleibt in Erinnerung

In Erinnerung bleiben jedoch zwei brutale Vorfälle, nämlich der brutale Völkermord an den Herero und Nama in Namibia sowie die Gräueltaten im Maji-Maji-Aufstand, die bewiesen, dass Deutschland zu Brutalität fähig war, und zwar nicht nur dort, sondern auch später in Europa selbst, wodurch es seine Kolonien überhaupt erst verlor. Die Aufgabe der Mission war Teil der Geschichte des Kolonialismus Frankreich und Großbritannien waren dagegen effektiver, brutaler und erfolgreicher, und zwar in einem Maße, dass die Gedanken der Menschen in ihren ehemaligen Kolonien bis heute effektiv "kolonialisiert" sind. Für viele in diesen Ländern sind Frankreich und Großbritannien nach wie vor der Inbegriff von Erfolg und Zivilisation.

Ich bin entsetzt, wie oft afrikanische Gelehrte britische Autoren und "Sirs" verehren und deren Werke zitieren, um ihre Argumente zu belegen. Ich bin entsetzt, wie viele Menschen in französischsprachigen Ländern stolz erzählen, dass sie oder ihre Kinder in Frankreich gewesen sind oder dort studiert haben, und die französische Sprache und das französische Essen als Inbegriff von Luxus bezeichnen. Die Kolonialmächte waren in der Tat sehr erfolgreich.

Die Aufgabe der Mission war Teil der Geschichte des Kolonialismus. Und die Missionsgesellschaften waren in der Regel hauptsächlich in den Kolonien ihrer Länder tätig, so dass es in Afrika mehr protestantische Konfessionsfamilien aus Großbritannien gab – Anglikaner, reformierte Traditionen usw. – und sehr wenige Lutheraner. Aber das war nicht immer der Fall. Es gab zum Beispiel viele Missionsgesellschaften aus Ländern ohne Kolonien sowie andere in Ländern, die keine Kolonien waren.

Kolonialist:innen und Missionar:innen nicht dasselbe

Die Missionar:innen waren von unterschiedlichem Typ und Charakter, und die Missionstheologie, die hinter den verschiedenen Aussendungsmissionen stand, war vielfältig. Aber im Allgemeinen kamen die Missionar:innen mit der Überzeugung, dass die Menschen außerhalb von Christus definitiv in die Hölle kommen. Und diese Überzeugung war so stark, dass sie bereit waren, aus Liebe zu den Menschen dafür zu sterben, und viele starben tatsächlich. Und wenn sie starben, gab es immer andere, die bereit waren, ihren Platz einzunehmen, in dem Wissen, dass auch sie sterben könnten.

Die Rolle der Missionen in Afrika war weitaus umwälzender, als dies allgemein bekannt ist. So waren die Missionen nicht nur an der Vorbereitung künftiger Führungskräfte in den Ländern beteiligt, sondern unterstützten auch die Beendigung des Sklavenhandels und den Kampf für die politische Unabhängigkeit, einschließlich der Unterstützung von Freiheitskämpfer:innen, die in der Regel von den Missionen ausgebildet wurden.

Teil der ökumenischen Erfahrung

Die Bevölkerung wusste und weiß bis heute, dass Missionar:innen und Kolonialist:innen nicht dasselbe waren. Die Missionar:innen lebten mit den Menschen in ihren Gemeinschaften, aßen ihr Essen, betraten ihre Häuser, lernten ihre Sprache, richteten Schulen und moderne Medizin ein, berührten und wuschen die Wunden ihrer Kranken und lebten in abgelegenen ländlichen Gebieten ohne Gewissheit über die Zukunft. Diejenigen, die sich dafür entschieden, dort begraben zu werden, werden bis heute respektiert und ihre Gräber werden gepflegt. Sie hatten keine Geschäftsinteressen und erwarben kein Land für sich selbst, sondern für die Kirchen und Missionen. Kein Wunder, dass sich viele Länder daran erinnern und feiern, wann der erste Missionar irgendwo seinen Fuß hinsetzte, und nie, wann er wieder wegging, denn in Wirklichkeit sind sie nie ganz weggegangen. Sie sind zu einem Teil der ökumenischen Erfahrung und zu Symbolen der Verbindung zwischen den entsendenden Ländern und der Bevölkerung geworden. Für die Kolonialist:innen gibt es keine solchen Symbole, sondern nur Verachtung, und ihre Gräber werden nicht gepflegt und sind weitgehend vergessen.

Das Evangelium ist nicht europäisch

Wenn wir die Beziehung zwischen Mission und Kolonialismus betrachten, müssen wir immer daran denken, dass das Evangelium NICHT europäisch ist. Es ist naiv zu sagen, dass Europa sein Christentum für sich behalten und es nicht an andere weitergeben sollte, weil das Kolonialismus sei. Jesus hat seinen Fuß nie nach Europa gesetzt. Die Jünger waren nur in Rom wegen der imperialen Zentralität des damaligen römischen Kolonialismus. Auch Europa empfing irgendwann das Evangelium, was ebenfalls zu einem religiösen, kulturellen und sozialen Wandel führte, der es zu dem machte, was es heute ist. Und genauso haben Afrika und andere Kontinente das Evangelium von Europa durch einen historischen Zufall erhalten, der mit dem Kolonialismus einherging.

Afrika betrachtet den christlichen Glauben heute nicht mehr als europäisch, sondern sowohl als afrikanisch als auch global. Nach dem Weggang der Missionar:innen traten mehr Menschen dem christlichen Glauben bei und die Kirchen wuchsen schneller. Die Afrikaner:innen waren und sind Menschen des Glaubens. Wir nehmen Christus und seinen Ruf zur Nachfolge für uns in Anspruch, und er hat uns in die Mission gesandt. Wir bitten die ehemaligen Missionar:innen nicht um die Erlaubnis, das Evangelium überall auf der Welt zu verbreiten. Wir lernen weiterhin neue Wege der Verkündigung und des Teilens des Evangeliums. Und wir fühlen uns definitiv berufen, auch unseren ehemaligen Kolonisator:innen zu dienen, denn das Evangelium ist eine gute Nachricht für alle. Aber zugegeben, das Erbe der Verbindung mit den Ursprungsmissionen hält bis heute an, wenn auch mit einigen Anzeichen von mehr und mehr Unabhängigkeit.

Das Evangelium war der Schlüssel zur Veränderung der Gesellschaft, nicht nur in Afrika, sondern überall, auch in Europa. Und bis heute danken wir Gott, dass viele der vorherrschenden entmenschlichenden Bräuche und Überzeugungen durch das Evangelium der Liebe verändert wurden, wie etwa in Bezug auf die Würde und den Wert von Frauen und Mädchen, Zwillingen, den Glauben an Hexerei und Aberglauben, viele Menschen danken Gott, dass das Evangelium kam. Die Lebenserwartung ist gestiegen, die Alphabetisierung wurde erreicht, die moderne Medizin und diakonische Dienste wurden zu günstigen Preisen eingeführt.

Gemeinsam missionieren – von überall nach überall

Jetzt sind wir aufgerufen, gemeinsam zu missionieren, von überall nach überall. Wir sind aufgerufen, uns erneut kritisch mit der Missionsgeschichte auseinanderzusetzen und aus ihr zu lernen – auch aus der Selbstgefälligkeit während der Kolonisierung. Wir müssen gemeinsam Mission im Sinne eines interkulturellen und globalen Zeugnisses betreiben.

Wir müssen für theologische Irrtümer aufmerksam sein und sie gemeinsam bekämpfen. Es gibt überall Theologien, die beunruhigend sind, in Fragen wie Schöpfung und Klima, Gesundheit und Heilung, menschliche Sexualität, wirtschaftliche Gerechtigkeit usw. Wir dürfen uns nicht in kontinentale oder nationalistische Mentalitäten einordnen. In unserem gemeinsamen Zeugnis heute ist es eine legitime missionarische Aufgabe, die Hinterlassenschaften von Sklaverei und Kolonialismus zu bekämpfen, da diese gegen den Willen Gottes verstoßen und die Würde und das Ebenbild Gottes in einigen Menschen verletzen.

Abschließend möchte ich sagen: Ja, es gibt viele Herausforderungen, die sich aus unserer kolonialen Geschichte ergeben. Aber wir müssen weiter daran arbeiten, unsere Partnerschaften zu stärken, die nicht nur durch die Geschichte, sondern auch durch das gemeinsame Erbe als Gläubige an unseren Herrn und Retter Jesus Christus geprägt sind. Wir können diese Herausforderungen überwinden, wenn wir uns ihnen mit Mut und Glauben stellen, aber auch, indem wir anerkennen, dass es Jahre dauern wird, einige dieser Herausforderungen zu überwinden.

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