Der gebürtige Israeli Dror Zahavi ist schon seit vielen Jahren einer der interessantesten hiesigen Filmemacher. Seine Filmografie enthält Hochspannungskrimis wie "Franziska" (2014), den letzten Kölner "Tatort" mit Tessa Mittelstaedt als Assistentin von Ballauf und Schenk, aber auch zeitgeschichtliche Werke wie "Die Luftbrücke" (2005), "Mein Leben – Marcel Reich-Ranicki" (2009) oder das bedrückende Heimkinddrama "Und alle haben geschwiegen" (2012).
2008 hat Zahavi, der seit 1982 in Berlin lebt – er hat an der Potsdamer Filmhochschule "Konrad Wolf" studiert – zum ersten Mal in Israel gedreht: In dem mit verschiedenen internationalen Preisen geehrten Drama "Alles für meinen Vater" will sich ein Palästinenser auf einem belebten Platz in Tel Aviv in die Luft sprengen, aber der Zünder versagt; weil es das nötige Ersatzteil erst nach dem Wochenende gibt, lernt er unfreiwillig die Bewohner des Viertels kennen und stellt fest, dass die verhassten Erzfeinde liebenswerte Menschen sind.
Für "Herbe Mischung" ist Zahavi erneut in seine einstige Heimatstadt gereist. Diesmal erzählt er die Geschichte einer höchst ungewöhnlichen Romanze: Zarah (Peri Baumeister) ist die Tochter eines Ägypters und einer Deutschen, Benni (Trystan Pütter) ist Jude. Beide leben in München, wo die unterschiedliche Herkunft keinerlei Rolle spielt. Das ändert sich, als Zarah Benni nach Israel zur Beerdigung seines Großvaters begleitet. Wegen ihres Vornamens war Bennis Familie überzeugt, sie sei ebenfalls Jüdin.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Als sie sich am Grab bekreuzigt, sind die Angehörigen schockiert: keine Jüdin, und dann auch noch Deutsche! Benni mag sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn sein Vater Ephraim (Dovale Glickman), Ex-General, Nationalist und Militarist, erfährt, dass seine Freundin halbe Araberin ist. Deshalb darf auf keinen Fall rauskommen, dass Zahras Nachname Abdullah lautet. Aber Bennis Tante Edna (Varda Ben Hur) hat den Braten schon gerochen und tut fortan alles, um das Liebespaar zu entzweien. Da hilft es auch nichts, dass Bennis Mutter (Sandra Sadeh) die Liebenden schützen will; sie ist überzeugt, dass Zarah schwanger ist. Die wiederum ist schockiert von der Intoleranz, der in Bennis rassistischer Mischpoke herrscht; und ernüchtert, dass ihr Freund so wenig Rückgrat beweist.
Diese Liebesgeschichte gegen alle Widerstände hätte auch einen veritablen Dramenstoff abgegeben, aber als Komödie voller Missverständnisse und kleiner Notlügen kommt die Botschaft naturgemäß noch besser an. Es wäre ohnehin schade um die vielen witzigen Ideen gewesen, zumal das Drehbuch (Annabel Wahba, Barry Thomson) immer wieder auf wunderbare Weise brisante Momente heiter auflöst, etwa, als gleich zu Beginn bei der Kontrolle am Flughafen Zahras Muezzin-Wecker, aus ihrer Sicht ein Scherzartikel, ein durchdringendes "Allahu Akbar" von sich gibt und umgehend Terroralarm auslöst.
Weniger lustig ist der offene Hass, der ihr in Tel Aviv entgegenschlägt; beim Einkaufen muss sie sich als "arabische Hure" beschimpfen lassen. Die in diesem Sinne furchtbarste Person ist die fette Edna, die sich von der anfänglichen Witzfigur zur bösen Intrigantin wandelt und die "Schickse" mit allen Mitteln aus der Familie vertreiben will. Auch wenn Zahavi diese Szenen komödiantisch inszeniert und ihnen so die Schärfe nimmt: In vielen Momenten bleibt einem das Lachen im Halse stecken.
Unbedingt sehenswert ist "Herbe Mischung" (der Titel bezieht sich auf Zahras Wurzeln) wegen der damals noch kaum bekannten Peri Baumeister, die zuvor schon in dem Drama "Ein weites Herz - Schicksalsjahre einer deutschen Familie" imponiert hatte und hier mit ihrem natürlichen Charme einfach bezaubernd ist. Trotzdem muss sich Zahavi bei aller Begeisterung einen Einwand gefallen lassen: Wie in viel zu vielen Filmen dieser Art sprechen alle Personen deutsch. Dass sich Benni und Zahra problemlos verständigen können, wäre ja noch hinzunehmen, aber dass Zahra in Tel Aviv keinerlei Mühe hat, den hebräischen Gesprächen zu folgen, ist höchst unglaubwürdig. Außerdem muss am Ende alles etwas flott gehen. Zur Entschädigung ist die Bombe, die Bennis Oma zum Finale platzen lässt, umso verblüffender; plötzlich erscheint die Familiengeschichte in völlig neuem Licht.