Man kann die Sache natürlich auch so sehen: "Der Tod muss abgeschafft werden, diese verdammte Schweinerei muss aufhören. Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter." Mit diesen, auf ein gelbes Schild gemalten Worten von Bazon Brock werden die Besucher der neuen Sonderausstellung im Kasseler Sepulkralmuseum empfangen. Sie sind zwar nicht das Motto der Schau "Trost - auf den Spuren eines menschlichen Bedürfnisses", die hier ab dem 1. April gezeigt wird. Aber eine - wenn auch nicht ganz ernst zu nehmende - Provokation des bekannten Kunsttheoretikers.
Trost, so sagt der belgische Philosoph und Ideengeber der Kasseler Schau, Jean-Pierre Wils, sei ein schwieriges Thema. Ein Thema, dem sich die Philosophie bisher auch nur am Rande genähert habe. Museumsdirektor Dirk Pörschmann unterstreicht, das Wort trage vielfach einen negativen Nimbus, wie er etwa durch die Begriffe "Trostpreis" oder "Vertrösten" zum Ausdruck komme.
Im Gegensatz dazu vermittelt diese gelungene Ausstellung ein schönes Bild über die Vielfalt, mit der getröstet wurde und wird. Da gibt es neben zahlreichen Engelfiguren und Illustrationen aus vergangenen Zeiten auch aktuelle Fotos, in denen etwa die US-Amerikanerin Nancy Borowick das Sterben ihrer Eltern dokumentiert. Besonders eindrücklich ist ein Bild, auf dem sich die beiden Todgeweihten gegenseitig trösten.
Überhaupt spielt der nonverbale Trost als Geste eine nicht zu unterschätzende Rolle, etwa durch Umarmen oder durch einfaches Dasein und Gemeinschaft. Ein Wissen, das übrigens schon in der Bibel zu finden ist: Als drei Freunde zur biblischen Gestalt des Hiob kommen, um ihn in seinem unsäglichen Leid zu trösten, schweigen sie erst einmal sieben Tage lang. So groß sei das Leid gewesen, berichtet der biblische Text.
Mit dem Pferd ans Krankenbett
Verblüffende Erkenntnisse zum Thema Trost zeigt eine kleine Fotoserie mit den beiden Protagonisten Hassen und Peyo aus den Niederlanden, wobei es sich bei Peyo um ein Pferd handelt, das sich zu leidenden Menschen offenbar besonders hingezogen fühlt. Zu sehen sind Bilder, wie etwa das Pferd zu einem bettlägerigen Patienten im Krankenhaus geführt wird und ihm dort Trost spendet.
Wer will, kann zudem per Kopfhörer und Video zehn Experten wie Bestattern oder Trauerbegleitern zuhören, die regelmäßig mit dem Thema Tod und Trösten in Berührung kommen. Auch einige andere Videos wie etwa das von Söhnen, die ihre Väter auf artistische und zugleich symbolische Weise tragen, sind beeindruckend. "Carrying my father" heißt das Projekt der belgischen "There There Company".
Zum Schluss sind dann die Ausstellungsbesucher selbst gefragt. Etwa welche Musik sie als tröstend empfinden. Die Titel können auf eine Tafel geschrieben werden, sie werden dann regelmäßig zusammengefasst und können per QR-Code in der Ausstellung aufs Handy geladen werden. Aber auch Fragen, welche Speisen es bei Beerdigungen gibt oder wie die Trauerfeier genannt wird, können beantwortet werden, ebenso die Frage, welche Rituale für einen selbst wichtig seien.
Viele Rituale hätten heute an Bedeutung verloren, bedauert Museumsdirektor Pörschmann. "Das sollte man sich nicht nehmen lassen, das ist etwas Stärkendes", gibt er sich von der Wirksamkeit fester Trauerritualen überzeugt. Es sei ein Fehler, heute alles von Dienstleistern erledigen zu lassen. Es gebe nach wie vor eine große Kraft, die im Kollektiv der Gemeinschaft stecke.