TV-Tipp: "Tod am Rennsteig – Auge um Auge"

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9. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tod am Rennsteig – Auge um Auge"
Zwei Leichen zunächst, beide in betender Position - Religiöses im Krimi bietet "Tod am Rennsteig". Mal schauen, ob daraus eine eigene Reihe aus Thüringen entsteht.

Wie ein Mahnmal steht der mannshohe Kühlschrank auf der bewaldeten Anhöhe gegenüber der Wartburg, und es ist sicher kein Zufall, dass das Bild an ganz ähnlich arrangierte Szenen aus Stanley Kubricks Klassiker "2001 – Odyssee im Weltraum" erinnert. Die künstlerisch anmutende Installation birgt jedoch einen grausigen Inhalt, und der Fund bleibt nicht der einzige dieser Art: Kurz drauf wird in der Drachenschlucht eine zweite Leiche entdeckt.

Opfer Nummer eins ist ein Witwer, der wegen seiner harten Urteile als "Richter Gnadenlos" gefürchtet war, Opfer Nummer zwei eine mehrfach vorbestrafte drogensüchtige Frau, die erst kürzlich aus der Haft entlassen worden ist. Beide wurden in einer betenden Haltung aufgefunden. Der religiöse Bezug ist ohnehin nicht zu übersehen, zumal der Täter die Parole "Auge um Auge, Zahn um Zahn" auf grauenhafte Weise beim Wort genommen hat.

Die kriminalistische Ebene ist also schon mal interessant: Geschichten dieser Art wecken im Publikum stets eine besondere Form der Angstlust. Selbstredend handelt es sich um einen Täter mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, deshalb ist der Mord auch ein Fall für die Abteilung Operative Fallanalyse des LKA Thüringen: Die OFA kommt immer dann ins Spiel, wenn ein Verbrechen über eine handelsübliche Beziehungstat hinausgeht.

Andererseits gehören die psychopathischen Merkmale ebenso zum Standard solcher Filme wie der persönliche Bezug zu einem Mitglied des Ermittler-Teams: weil die meist männlichen Mörder gern ein perfides Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei treiben. In diesem Fall stellt sich zudem raus, dass es um eine alte Rechnung geht.

Der Titel "Tod am Rennsteig" klingt allerdings nach Reihe, weshalb Drehbuchautor Jens Köster außerdem vor der Herausforderung stand, neben einem originellen Fall auch ein fortsetzungstaugliches Team zusammenzustellen. Zu diesem Zweck konfrontiert er eine junge Heimkehrerin mit einem alten Hasen: Eigentlich sollte Kriminalpsychologin Annett Schuster (Kristin Suckow) schon vor drei Jahren Mitglied der Erfurter OFA werden, aber die war ihr angeblich zu "piefig", wie der Flurfunk raunt; sie zog es stattdessen vor, in Boston zu promovieren.

Was für die meisten Menschen eine Chance darstellt, die sich kaum jemand entgehen lassen würde, wäre für Jan Kawig (Bernhard Conrad), der Thüringen noch nie verlassen hat, unvorstellbar. Die erste Begegnung der beiden ohnehin sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten fällt daher recht frostig aus: Kawig ist überzeugt, dass Schuster nur auf der Durchreise ist. Außerdem vertraut sie grundsätzlich nur den Fakten, während er gern auf seinen Bauch hört. Entsprechend befremdet ist sie von der eigenwilligen Methode des OFA-Teams, erstmal frei vor sich hin zu assoziieren: alle Puzzleteile in die Luft werfen und hoffen, dass sich auf dem Boden ein fertiges Bild ergibt.

Die personelle Konstellation, ergänzt um eine mütterliche Chefin (Ann-Kathrin Gummich), die die Animositäten des Duos alsbald als "Kindergarten" kritisiert, klingt in der Theorie deutlich weniger originell als der Fall, aber Kristin Suckow und Bernhard Conrad füllen die Figurenentwürfe mit dem nötigen Leben. Außerdem raufen sich Schuster und Kawig nach anfänglichem Fremdeln zum Glück rechtzeitig zusammen, bevor die Zickereien nervig werden.

Das müssen sie auch, denn es dauert nicht lange, bis eine weitere Person verschwindet: Drittes Opfer ist der Leiter einer Justizvollzugsanstalt. Was die drei Toten auf den ersten Blick miteinander verbindet, liegt auf der Hand: Viele der Männer und Frauen, die der Richter verurteilt hat, sind in diesem Gefängnis gelandet, auch das zweite Opfer hat hier seine Haft verbüßt. Es muss jedoch noch eine weitere Verbindung geben, und nun kommt Kawig ins Spiel: Alles deutet darauf hin, dass er der nächste auf der Liste ist.

Die erfahrene Regisseurin Maris Pfeiffer hat Kösters Drehbuch im besten Sinne routiniert umgesetzt. Aus dem Krimi-Alltag ragt allerdings die Bildgestaltung heraus. Es gibt einige Kirchenszenen, die Volker Tittel in ein ganz besonderes Licht gesetzt hat: Wenn Kawig nachdenken will, zieht er sich gern in ein Gotteshaus zurück; auch mal mit Pausenbrot. Der optische Kontrast zwischen den unterschiedlichen Schauplätzen sorgt ohnehin für einen besonderen Reiz, zumal Pfeiffer und Tittel auch die Landschaft rund um den Rennsteig, einer der beliebtesten deutschen Höhenwanderwege, angemessen in Szene gesetzt haben. Ob aus "Tod am Rennsteig" wirklich eine Reihe wird, lässt der MDR noch offen.