Nina und Martin Wilmers (Tanja Wedhorn, Götz Schubert) stellen der Tochter zuliebe ihr komplettes Dasein auf Nachhaltigkeit um. Allerdings nicht aus Einsicht in die Notwendigkeit: Lilly (Ella Lee) kämpft rund um die Uhr gegen den Klimawandel, deshalb ist ihre Zulassung zum Abitur gefährdet. Also lassen sich die Eltern auf einen folgenschweren Deal ein: Die Familie unterwirft sich Lillys Bedingungen, dafür geht sie wieder zur Schule. Weniger Strom verbrauchen und ein paar Wochen ohne Fleisch: Das schaffen wir schon, glaubt Nina.
Das komische Potenzial des Stoffs liegt auf der Hand, denn anders als der jüngere Sohn (Finn Cordes), der auch weiterhin buchstäblich seine Extrawurst bekommt, müssen sich die Eltern umgehend von lauter liebgewonnenen Gewohnheiten verabschieden: Das Auto bleibt in der Garage, in die Waschmaschine kommen Waschnüsse statt Waschmittel, die Espressomaschine wird verkauft, Kuhmilch ist fortan verpönt; vom knatternden Rasenmäher ganz zu schweigen. So macht das Leben natürlich keinen Spaß mehr, wenn man bis dahin im gedankenlosen Genuss geschwelgt hat, und deshalb versuchen Nina und Martin, die Ge- und Verbote mit kleinen Tricks und Schwindeleien zu umgehen.
Das ist ziemlich lustig, weil Martin regelmäßig daran scheitert, gute Miene zu diesem aus seiner Sicht bösen Spiel zu machen; Götz Schubert hat diverse famose Dialogzeilen. Die Gute-Laune-Musik von Alex Komlew mit ihren Reggae-Elementen sorgt erst recht für Heiterkeit, und Tomy Wigand, der ohnehin für kurzweilige Komödien steht, hat das erste verfilmte Drehbuch von Jule Boenig (Vorlage: Nina Bohlmann) angemessen temporeich umgesetzt. Vermutlich hätte niemand was vermisst, wenn sich die Geschichte zu ihrem erwartbaren Ende hin entwickelt hätte: Irgendwann sehen Nina und Martin ein, dass Lilly selbstredend richtig liegt mit ihren Warnungen, weshalb sie das Mädchen nun nach Kräften unterstützen und zu dritt die Welt retten.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das Umdenken setzt tatsächlich ein: Sie hat eine Agentur, die Personal an Klinken vermittelt, er ist Chefarzt in einem Krankenhaus, und beide sorgen mit allerdings unterschiedlichem Erfolg dafür, dass sich in ihrem Arbeitsumfeld ein paar Dinge ändern. Damit wollte sich die Autorin jedoch nicht begnügen: Plötzlich schlägt die Handlung eine ganz andere Richtung ein. Nina beginnt, Lillys Bewunderung für Öko-Ikone Weedie (Kai Lentrodt) zu teilen, zumal sich der frühere Greenpeace-Aktivist als Jugendbekanntschaft entpuppt, und auf einmal klingen Martins ironische Kommentare nicht mehr komisch, sondern zynisch und verbittert; selbst die Musik verliert ihre beschwingte Note.
Bei aller Freude an witzigen Wortgefechten und vereinzelten Slapstickszenen: Buch und Regie haben auf Übertreibungen verzichtet; selbst das als Rasenmäher-Ersatz besorgte Ziegenpaar, das prompt Richtung Nachbargarten ausbüchst, ist einigermaßen realistisch. Ausstattung und Farbgebung der Sommerkomödie sind zwar genauso knallbunt wie der Vorspann, aber der Film verliert nie die Bodenhaftung, weshalb der dramaturgische Wechsel mit Beginn des letzten Akts auch kein bisschen unglaubwürdig ist; im Nachhinein zeigt sich, dass der Umschwung auch nicht aus gänzlich heiterem Himmel erfolgt. Das Drehbuch bietet sowieso viele Gelegenheiten zum Andocken: Als Lilly ihre Eltern ermuntert, Ballast abzuwerfen und Gegenstände auszumisten, die bloß noch rumstehen, schwelgen Nina und Martin ein bisschen in Erinnerungen, was prompt zur Folge hat, dass vor allem er sich von den jeweiligen Utensilien nicht mehr trennen mag; sie dagegen will den Elan nutzen und gleich auch ihr Leben entrümpeln.
Gespielt ist das alles ganz vorzüglich. Schubert und Wedhorn passen prima zusammen; Ella Lee, eins der vielen Talente aus dem Ensemble der Netflix-Serie "Dark", hat schon in den wie "Klima retten für Anfänger" im Auftrag der ARD-Tochter Degeto produzierten Freitagsfilmen "Sprachlos in Irland" sowie der "Käthe und ich"-Episode "Freundinnen für immer" (beide 2021 gedreht) Akzente gesetzt. Den Rest besorgen sympathische Drehbucheinfälle wie jener, als Lilly im Stil der "Bezaubernden Jeannie" (1965 bis 1970) aus dem Haushalt verschwinden lässt, was sie für überflüssig hält. Die markant besetzten Nebenrollen (Timo Fakhravar, Lena Dörrie, Isabella Parkinson, Frank Streffing) schließlich sind weit mehr als bloß Stichwortgeber und haben entscheidenden Anteil an den verschiedenen Handlungswendungen.