Staat nicht mit Gott verwechseln

Geld und Stift
© Getty Images/iStockphoto/Obican_Deterdzent
"Der Staat ist weder allmächtig noch allwissend noch allgütig", sagt der Wirtschaftsethiker Joachim Fetzer.
Wirtschaftsethiker
Staat nicht mit Gott verwechseln
In der Diskussion um eine Übergewinnsteuer für Unternehmen, die in der Krise profitieren, warnt der Wirtschaftsethiker Joachim Fetzer vor überzogenen Erwartungen an den Staat.

"Er müsste Eigenschaften haben, die traditionell Gott zugeschrieben werden." Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte der Honorarprofessor der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, er verstehe den Wunsch der Menschen nach einem Richter, der empfundene Ungerechtigkeit wieder in Ordnung bringt. Er halte es aber für ein Rollenmissverständnis, dass der Staat diese Aufgabe in jedem Einzelfall übernehmen könne.

Der Staat habe nicht die Macht, Unternehmen für ihr "unanständiges Verhalten" angemessen zu bestrafen. Dazu müsste der Staat wissen, wie genau die Preisfindung zustande kommt und wie die Kostenstrukturen innerhalb der Unternehmen sind, um definieren zu können, ab wann ein Übergewinn vorliege. Für Strafen seien außerdem Gerichte zuständig. "Und dann müsste der Staat einer sein, der gütig nur das Wohl und das Recht der Bürger im Auge hat", sagte Fetzer. "Der Staat ist weder allmächtig noch allwissend noch allgütig und in diesem Fall als Bestrafungsinstanz vollkommen fehl am Platz."

Eine vom Magazin "Stern" in Auftrag gegebenen Umfrage hatte am Donnerstag ergeben, dass sich 72 Prozent der Bundesbürger für die Einführung einer zusätzlichen Steuer für krisenbedingte Übergewinne aussprechen. Das kommt laut Fetzer daher, dass in Krisensituationen ein starkes Wir-Gefühl entstehe und Gewinne leicht als Raub an der Gemeinschaft dargestellt würden. Mit angefeuert worden sei dies durch die Senkung der Energiesteuer, von der man sich erhofft hatte, dass sie an die Kunden in Form von sinkenden Spritpreisen weitergegeben würde - eine unrealistische Erwartung, sagte Fetzer. Dass nun versucht werde, durch eine Übergewinnsteuer diese gefühlte Ungerechtigkeit zu bestrafen, sei eine "verständliche, nachvollziehbare Idee auf einem vollkommen falschen Weg".

Dennoch haben aus Sicht von Fetzer Unternehmen eine Mitverantwortung für das System, in dem sie leben. Es sei klug, den Anschein von Wucher zu vermeiden. Die Handlungsfreiheit von Unternehmen bestehe darin, dass die Marktwirtschaft grundsätzlich akzeptiert wird. "Unternehmen, die sich so verhalten, dass diese Akzeptanz erodiert, sägen auch an dem moralischen Ast, auf dem sie sitzen", sagte Fetzer.