Präses Latzel stellt Eigentum als Kern der Marktwirtschaft infrage

Präses Thorsten Latzel, Portraitbild
© epd-bild/Hans-Juergen Bauer
Präses Thorsten Latzel sieht unser Wirtschaftssystem auf den Prüfstand gestellt.
Wertewandel
Präses Latzel stellt Eigentum als Kern der Marktwirtschaft infrage
Der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, hält grundlegende Fragen an das Wirtschaftssystem für unvermeidlich, um Problemen wie dem Klimawandel zu begegnen.

Nur eine radikal andere Sicht auf die Welt könne die Menschen dazu bringen, anders zu leben als bisher, sagte Latzel bei einem Online-Gespräch mit dem Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer in Deutschland (AEU). Dazu gehöre es auch, über die Leitmodelle Wirtschaft, Markt und Eigentum in der sozialen Marktwirtschaft zu reden.

Bei vielen jungen Menschen zeige sich bereits ein anderes Verständnis von gesellschaftlicher Verantwortung jenseits des eigenen Besitzes, sagte Latzel. Auch bei der Bewältigung der Flut-Auswirkungen hätten Menschen ungeachtet von Besitz und privatem Eigentum für die Gemeinschaft Verantwortung übernommen. "Eigentum ist nur eine Form der Logik", sagte der Theologe.

Ein Umdenken habe bei ihm persönlich die Flutkatastrophe im Ahrtal bewirkt. "Da ist etwas zerrissen, bei vielen Menschen und auch bei mir", erinnerte er sich. Mit der Katastrophe habe der Klimawandel ein Gesicht im Rheinland erhalten. Das habe seinen Glauben verändert.

Sorge um Wirtschaftsordnung

Angesichts von Klimawandel und wachsender Weltbevölkerung könne der Mensch nicht länger allein im Zentrum von Glauben und Handeln stehen. "Reden wir nicht mehr über die große Transformation. Der einzige Mensch, den ich verändern kann, bin ich selber", sagte Latzel. Die Kirche könne dazu ihren Beitrag leisten, in dem sie Menschen zusammenführe, vernetze und Diskussionen versachliche, um herauszufinden: "Wo brauchen wir Markt und Eigentum und wo brauchen wir etwas anderes?"

Der AEU hatte im April ein Impulspapier vorgelegt und sich darin zum Privateigentum mit seinen Verpflichtungen als wesentliches Element der sozialen Marktwirtschaft bekannt. Dazu zählte der Arbeitskreis die Vertragsfreiheit, autonome Tarifpartnerschaften, vorrangige Preisbildung über Märkte sowie Mindestschutzbestimmungen und Mitwirkungsrechte für alle Marktteilnehmer. Allerdings gebe es eine Abkehr von diesen Prinzipien, etwa durch die Digitalisierung und deren globale Player. "Wir sorgen uns deshalb um die Zukunft dieser für die Menschen in unserem Land so guten Wirtschaftsordnung", hieß es.

Der 1966 gegründete AEU versteht sich als Netzwerk protestantischer Unternehmer, Manager und Führungskräfte. Zu seinen Aufgaben gehören der Dialog mit Kirchenleitenden, die Organisation von fachlichem Austausch sowie Angebote zur Glaubensvergewisserung für die Mitglieder.