TV-Tipp: "Tatort: Borowski und der Schatten des Mondes"

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10. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Borowski und der Schatten des Mondes"
Sie suchte Liebe und Frieden, aber sie fand den Tod: So hätte im September 1970 eine Reportage über das tragische Schicksal von Susanne beginnen können. Der zweite Teil des Satzes wäre allerdings Spekulation gewesen, denn die Leiche der Fünfzehnjährigen ist nie gefunden worden.

Die Ungewissheit, was aus dem Mädchen geworden ist, sei für die Angehörigen das Schlimmste, wird Hauptkommissar Borowski später erklären, und er weiß genau, wovon er spricht. Susanne war damals mit ihrem Freund auf dem Weg zu einem "Love and Peace"-Konzert auf Fehmarn. Sie wollte unbedingt per Anhalter fahren, es kam zum Streit, und schließlich stieg das Mädchen mit einer weiteren jungen Frau an einer Tankstelle in einen VW-Bus und ward nicht mehr gesehen.

Borowski hat diese Geschichte nie wieder losgelassen: Der Freund, das war er. Allein diese Konstellation ist bereits ein Garant dafür, dass "Borowski und der Schatten des Mondes" für weitaus mehr Emotionalisierung als üblich sorgt. Hinzu kommt, dass der Polizist wegen seiner persönlichen Betroffenheit nicht ermitteln darf, als Susannes Leichnam durch einen Zufall buchstäblich aus der Versenkung auftaucht: Bei einem Sturm ist eine Eiche umgestürzt; ein Spaziergänger (Stefan Kurt) hat das Skelett im Wurzelwerk entdeckt.

Weil Borowski (Axel Milberg) seinem Freund und Vorgesetzten (Thomas Kügel) verschweigt, dass er befangen ist, bleibt Mila Sahin (Almila Bagriacik) nichts anderes übrig, als den Chef zu informieren; das hält den Kollegen natürlich nicht davon ab, weitere Nachforschungen anzustellen. Dank eines TV-Aufrufs meldet sich schließlich die andere junge Frau. Sie hatte Susanne angesprochen, ist aber kurz drauf aus dem Auto gesprungen, weil ihr der Fahrer komisch vorkam. In einem entscheidenden Punkt weicht ihre Schilderung von den Angaben des jungen Klaus ab: Auch sie spricht von einem VW-Bus, beschreibt jedoch ein anderes Modell.

Borowski ist überzeugt, dass die Erinnerung Margot Köhnke (Heide Simon) einen Streich spielt, aber tatsächlich stellt sich heraus, dass beide recht haben. Nun wird auch klar, dass die unterschiedlichen Kennzeichen in der Rückblende zum Auftakt keineswegs ein Filmfehler sind. Als wäre all’ das nicht genug, sorgt das Drehbuch (Patrick Brunken, Torsten Wenzel) für zusätzliche Verwirrung, weil offenbar zwei Serienmörder im Spiel waren. Einer von beiden scheidet allerdings aus: Als eine weitere weibliche Leiche entdeckt wird, die auf ähnliche Weise unter einer Eiche begraben worden ist, hat ein zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder und Vergewaltiger (Bernd Tauber) ein perfektes Alibi, denn als dieses Mädchen verschwunden ist, saß er bereits im Gefängnis.

Leider verraten Buch und Regie die Existenz des zweiten Täters bereits im Prolog, weshalb auch ein späteres Ablenkungsmanöver von vornherein zum Scheitern verurteilt ist; das nimmt der Handlung einen Teil ihrer Krimispannung; die kehrt im Grunde erst zum Finale zurück. An der hohen Intensität des Films ändert sich jedoch nichts.

Im Zentrum der Geschichte steht vor allem das Innenleben des Ermittlers, denn die damaligen Ereignisse haben selbstverständlich tiefe Spuren hinterlassen; "Borowski und der Schatten des Mondes" ist eine Reise ins Herz der ganz persönlichen Finsternis des Kommissars. Schon der Auftakt ist fesselnd inszeniert. Typische Woodstock-Bilder sorgen zusammen mit einem Klassiker von Jimi Hendrix für das entsprechende Zeitgefühl, das keineswegs nur rosig war: Wer alt genug ist, wird sich noch gut an die "Trampermorde" erinnern, mit denen sich "Aktenzeichen XY" regelmäßig befasste. 

Eins der vielen faszinierenden Details des Films ist die digitale Gesichtsrekonstruktion des ersten Opfers. Als Borowski das Bild erblickt, sieht er aus, als sei er einem Geist begegnet; und im Grunde stimmt das ja auch. Dass der Fall den Kieler Kommissar besonders berührt, liegt auf der Hand, doch davon abgesehen ist es bewegend mitzuerleben, wie Milberg dieser Figur, die er bereits seit zwanzig Jahren verkörpert, nochmals neue Seiten abgewinnt.

Ganz vortrefflich war zudem die Idee, die Rolle des jungen Klaus mit Milbergs Sohn August zu besetzen. Auch die Inszenierung bewegt sich auf hohem Niveau. Nicolai Rohde hat zuletzt für Sat.1 die beiden sehenswerten "Julia Durant ermittelt"-Krimis (2019) gedreht. Optische Einfälle wie ein Übergang von der Gegenwart in die Vergangenheit nur durch eine Kreisfahrt der Kamera sind für all’ jene, die sich an solchen Details erfreuen können, ein großes Vergnügen.