Die digital Versierten konnten dem digitalen Ökumenischen Kirchentag einiges abgewinnen. "Ich kann Gottesdienste vom Sofa aus besuchen mit meiner Kaffeetasse in der Hand", stellt eine Twitter-Userin fest. Sie zählt noch mehr Vorteile auf: kein Sonnenstich, eigenes Bett statt Isomatte. Andere betonten bei den Veranstaltungen, wie sehr sie das Kirchentagsflair vermissen. Mit Gleichgesinnten durch die Stadt ziehen, gemeinsam singen und beten, volle Messehallen mit hitzigen Diskussionen - das macht einen Kirchentag normalerweise aus. "Natürlich hätte ich uns lieber ein persönliches Zusammenkommen gewünscht", sagte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Bei ihrer Podiumsdiskussion saß die Regierungschefin vor einer blauen Wand in Berlin statt in einer Frankfurter Messehalle. Die Diskussion per Videoschalte war vorher aufgezeichnet, wie viele Veranstaltungen des von der Pandemie geprägten Kirchentags, der am Sonntag zu Ende ging. Sie mussten ohne Publikumsfragen auskommen, das "Applausometer" fehlte auch bei Live-Veranstaltungen. Digitale Werkzeuge versuchten Publikumsstimmung einzufangen und den Diskussionen das Sterile zu nehmen, das die seit einem Jahr eingeübten Videokonferenzen mit sich bringen. Gegen die üblichen Probleme kam aber auch der Kirchentag nicht an: Manchmal ruckelte der Stream, Redner vergaßen die Aufhebung der Stummschaltung, nicht in allen Browsern liefen die Videos.
Innerkirchliche Debatten prägen 3. ÖKT
Kirchentagskenner entdeckten bei der digitalen Version dennoch Gewohntes, etwa die Podien mit Spitzenpolitikern. Bei den Diskussionen mit Merkel, CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock ging es um den Klimaschutz. Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz warb bei einer Diskussion dafür, den verbliebenen Teil des Soli mindestens noch für einige Jahre beizubehalten, um die Kosten der Corona-Pandemie wieder reinzuholen. Bei weiteren Diskussionen ging es um die Flüchtlingspolitik, Sterbehilfe und eine global gerechte Verteilung von Covid-19-Impfstoffen.
Inhaltlich geprägt haben den Ökumenischen Kirchentag diesmal aber vor allem auch innerkirchliche Debatten. Dazu zählte die Diskussion über den Umgang der Kirchen mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, die mit der kürzlichen Entscheidung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Aussetzung ihres Betroffenenbeirats neue Brisanz erhielt. Der für das Thema derzeit zuständige Braunschweiger Bischof Christoph Meyns versicherte auf dem Kirchentag, Betroffene weiter an der Aufarbeitung von Missbrauch beteiligen zu wollen.
Symbolträchtige Abendmahlfeiern
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt empfahl der Kirche bei einem anderen Podium die Berufung eines unabhängigen Beauftragten für die Aufarbeitung. Es habe den ehrlichen Versuch gegeben, es gut zu machen. Es reiche aber nicht, sagte Göring-Eckardt, die auch der EKD-Synode angehört. Am Freitagabend hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine "quälend langsame Aufdeckung und Aufarbeitung" in den Kirchen konstatiert.
Nach 2003 in Berlin und 2010 in München war die Veranstaltung von Donnerstag bis Sonntag der 3. Ökumenische Kirchentag. Er sollte eigentlich als großes Treffen in Frankfurt am Main stattfinden mit einem Symbol für die Einheit der Christen. Denn wenn die Konfessionen zusammen feiern, geht es zwangsläufig auch um ihre Unterschiede. So ist es bis heute in der Regel nicht möglich, am Abendmahl des jeweils anderen teilzunehmen.
Die Abendmahlfeiern von Katholiken und Protestanten am Samstagabend waren somit die symbolträchtigste Ökumene-Veranstaltung des Kirchentags und die beiden Präsidenten der Laienbewegung setzten sich an die Spitze. Im katholischen Frankfurter Dom erhielt die evangelische Kirchentagspräsidentin Bettina Limperg eine Hostie. Ihr katholisches Pendant Thomas Sternberg ging zeitgleich in einem evangelischen Gottesdienst zum Abendmahl.