Sieben Minuten dauern die Keynotes beim Workshopcamp "#digitaleKirche - Einmal durch das Netz" des 3. Ökumenischen Kirchentags. Sieben Minuten für das weite Feld der Digitalisierung, Digitalität und der digitalen Kirche mit all ihren unterschiedlichen Facetten. 96 Teilnehmerinnen und Teilnehmer warten gespannt darum, welche Impulse gesetzt werden.
Als erstes ist Sandra Bils von der Evangelische Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) an der Reihe. Statt Antworten zu geben, stellt sie zu Beginn drei Fragen: "Was ist Kirche? Was ist Digitalität? Und was ist digitale Kirche?" Während diese drei Fragen in den Köpfen der Teilnehmenden zu wirken beginnen, setzt Bils zu ihrer eigenen Positionierung an.
In drei Sätzen erklärt sie kurz, welche theologische Antwort man auf die Frage geben könnte, was denn Kirche sei. Lateinische Fachbegriffe kommen darin vor, genauso wie die Botschaft Christi oder die Versammlung der Gläubigen. Und dann erzählt sie lapidar, was eine Umfrage unter "ganz normalen" Menschen ergeben habe: "Kirche ist, wo sonntags um zehn Uhr die Orgel spielt und schön gepredigt wird." Deutlicher hätte sie die Kluft zwischen Theorie und Praxis nicht aufzeigen können.
Weiter sagt sie, dass "Digitalität davon ausgeht, dass wir schon längst vom Digitalen umgeben sind". Digitalität bedeute aber mehr als das Internet oder der Rasenmähroboter, mehr als Apps oder anderer technischer Schnickschnack. Das seien nur Hilfsmittel. Im Kern ginge es viel tiefer und weitgreifender. "Der Wandel umfasst durch das Schaffen von Vernetzung und Partizipativität einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel", betont Bils. Es ginge auch nicht um eine Entscheidung dafür oder dagegen, sondern darum, "die Dynamiken des Wandels zu verstehen, zu gestalten und für uns zu nutzen". In der digitalen Kirche geschehe das schon teilweise, denn sie sei Kirche, die sich auf eine neue, ungewöhnliche Art und Weise ereigne.
Mut gesucht, sich dem Wandel zu stellen
Passe man sich als Kirche nicht an dem Wandel an, sieht Bils vor allem eine Konsequenz: Man werde vermutlich beim Versuch scheitern, die neuen Herausforderungen auf die althergebrachte Weise zu lösen. Dabei sei es keine Frage, ob man nun technikaffin sei oder mehrere Social-Media-Accounts betreibe, das stünde nicht im Mittelpunkt. Wichtig sei vor allem eine Frage, die Kirche sich stellen müsse: "Haben wir den Mut, uns dem allumfassenden Wandel zu stellen und uns herausfordern und weiterentwickeln zu lassen?"
Neue Formen der Glaubenskommunikation faszinieren auch Tobias Sauer, den Initiator des ökumenischen Netzwerks "ruach.jetzt". Seine Kernthese: "Es muss immer um Beziehungen gehen – egal, ob im Netz oder analog". Und er betont, dass das Digitale genauso real sei wie das Analoge, eine Trennung sei da nicht zielführend. Der Unterschied bestünde nur darin, dass beide Formen unterschiedlichen Logiken unterworfen seien. Während eine Pfarrperson im Analogen die Gemeindemitglieder innerhalb territorialer Grenzen recht gut kennenlernen können, sei das gerade bei größeren Accounts im Digitalen unmöglich. "Ich weiß nur sehr wenig über meine Follower, aber die wissen unfassbar viel über mich." Das sei im Pfarrdienst normalerweise genau umgekehrt. Aber genau diese Umkehrung sei der Clou an digitaler Kommunikation.
Eine, die feministische Glaubenskommunikation auf Instagram betreibt, ist die Vikarin Maike Schöfer (Instagram: @ja_und_amen,TikTok: @ja_und_amen). Ihre Keynote zeigt biografisch, welchen zentralen Beitrag #digitaleKirche leisten kann, um Menschen in ihrem Glauben eine Heimat zu geben. "Ich habe weibliche Vorbilder in meinem Alter in der Kirche vermisst", erzählt Schöfer freimütig. In ihrem "weltlichen" Freundeskreis habe man ihren Glauben nicht verstanden und "in der Kirche fühlte ich mich fremd, weil niemand etwas mit meiner Lederjacke und meinem Feminismus anfangen konnte". Statt zu resignieren, sich mit der Zerrissenheit zu arrangieren oder sich für eine Seite zu entscheiden und sich dieser anzupassen, entdeckt Maike Schöfer auf Instagram die "digitale Kirche". "Und auf einmal war da dieses überwältigende Gefühl, dass ich ja doch in diese Kirche passe, dass ich hierher gehöre und hier so Mensch sein darf, wie ich bin." Mit diesem Gefühl im Rücken fängt sie an, auf ihrem Instagram-Kanal die Themen zu behandeln, die ihr wichtig sind. Schöfer möchte zum Beispiel komplexe feministische Theorien herunterbrechen und für viele Menschen verständlich zugänglich machen. Ihre Botschaft: Räume, die man in der Kirche nicht vorfindet, kann man sich selbst schaffen. Empowerment ist für sie zentraler Teil der digitalen Kirchen.