Hans Küng bereitete der Ökumene in den vergangenen Jahrzehnten den Weg. Ende 1979 wurde ihm wegen seiner kritischen Sicht auf die Kirche die katholische Lehrerlaubnis entzogen. Repräsentanten aus Kirche und Gesellschaft würdigten Küngs Lebensleistung.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beschrieb Küng als vorbildlichen Wissenschaftler. "Hans Küng ist ein bleibendes Vorbild eines Gelehrten, eines brillanten Denkers mit scharfem Verstand, der gleichzeitig wacher politischer Beobachter und engagierter Mitbürger war", schrieb Steinmeier in einer am Dienstagabend veröffentlichten Kondolenz an Küngs Schwester Rita Frei-Küng. Wie kaum ein anderer werde Küngs Name "immer verbunden bleiben mit der Frage, wie Philosophie und Politik zueinander finden können, wie Denker die Politik befruchten können".
Streitbarer Forscher, bleibendes Vorbild
Steinmeier würdigte die Arbeit der Stiftung Weltethos, die Küng 1995 ins Leben gerufen hatte. "Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden" - diese Formel sei für Küng das zentrale Element seiner Arbeit gewesen, und sei es bis heute für die Stiftung Weltethos. "Denn auch in Zukunft ist die Idee, dass es ein gemeinsames Ethos gibt, das alle Menschen unbesehen von Herkunft, sozialem Status, Geschlecht, religiöser oder politischer Zugehörigkeit teilen können, weder gesichert, noch selbstverständlich", schrieb der Bundespräsident.
Mit dem Tod von Küng verliere die "theologische Wissenschaft einen anerkannten und streitbaren Forscher", erklärte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. "Hans Küng hat es sich nie nehmen lassen, für seine Überzeugungen einzutreten. Auch wenn es diesbezüglich Spannungen und Konflikte gab, danke ich ihm in dieser Stunde des Abschieds ausdrücklich für sein jahrelanges Engagement als katholischer Theologe in der Vermittlung des Evangeliums", sagte der Limburger Bischof.
Entscheidende Beiträge zur Ökumene
Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" würdigte Küng als "großen innovativen theologischen Denker und Wegbereiter". Seine lebenslange Beharrlichkeit in der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche sowie sein Einsatz für die Ökumene und den Dialog der Weltreligionen "bleiben uns Ermutigung, Inspiration und Ansporn zugleich", erklärte die kirchliche Reformbewegung. Der von Papst Johannes XXIII. zum offiziellen Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ernannte Schweizer Theologe von Weltrang habe ungeachtet der späteren kirchlichen Ausgrenzung entscheidende Beiträge zu einer ökumenischen Theologie und zum interreligiösen Dialog geleistet. Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, bezeichnete Küng als Vorbild. Dieser habe sich schon vor 50 Jahren für die Reform der katholischen Kirche eingesetzt, "wollte sie in die Moderne holen. Vergeblich", erklärte Katsch auf Twitter.
Visionärer Vordenker
Mit Küng verliere die Universität Tübingen "einen produktiven Forscher, einen überaus schöpferischen Gelehrten und einen exzellenten Theologen", sagte der Rektor der Universität, Bernd Engler. Die Universität hob hervor, dass Küng mit dem Institut für Ökumenische Forschung und dem Weltethos-Institut an der Hochschule "Einrichtungen von bleibender Bedeutung geschaffen und damit die Universität tiefgreifend geprägt" habe. Mit seinem weltweit anerkannten Einsatz für Kirchenreformen und für den Dialog der Religionen habe er maßgeblich zum internationalen Ansehen der Universität beigetragen. Der Präsident der Stiftung Weltethos, Eberhard Stilz, erklärte, man habe den "charismatischen und menschlich beeindruckenden Gründer der Stiftung und einen visionären Vordenker für eine gerechtere und friedlichere Welt" verloren.
Küng wurde 1928 im schweizerischen Sursee (Kanton Luzern) geboren. Er studierte an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und promovierte am Institut Catholique in Paris. 1954 erhielt er die Priesterweihe. 1960 wurde Küng als ordentlicher Professor für Fundamentaltheologie an die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Tübingen berufen. Drei Jahre später wurde er zusätzlich Direktor des von ihm gegründeten Instituts für Ökumenische Forschung.
Seine Kritik am Papst und der katholischen Kirche führte dazu, dass er Ende 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis verlor. Um ihm die weitere Lehrtätigkeit zu ermöglichen, gliederte die Hochschule sein Institut aus der Katholisch-Theologischen Fakultät aus und unterstellte es direkt dem Senat - ein einmaliges Modell in der Geschichte der Universität Tübingen.
1995 wurde in Tübingen die Stiftung Weltethos gegründet und 2012 das Weltethos-Institut. Für seine Forschung und sein Engagement erhielt Küng zahlreiche Ehrungen und Preise, darunter 1998 den Theodor-Heuss-Preis, 2002 den Göttinger Friedenspreis und 2003 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern.