Orchestervereinigung für differenzierte Öffnungsstrategien

Orchestervereinigung für differenzierte Öffnungsstrategien
23.03.2021
epd
epd-Gespräch: Lukas Philippi

Berlin (epd). Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) fordert trotz steigender Inzidenzzahlen für Kultureinrichtungen differenzierte Öffnungsstrategien auf lokaler Ebene. Das Grundrecht auf Kunstfreiheit werde bei den Infektionsschutzmaßnahmen bislang in keinem Bundesland ernst genommen, sagt DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die DOV ist Berufsverband und Gewerkschaft für Mitglieder professioneller Ensembles.

Das Infektionsschutzgesetz schreibe vor, dass der Bedeutung der Kunstfreiheit ausreichend Rechnung getragen werden müsse, sagte Mertens: "Wir haben nach einer Umfrage in den Ländern mit Entsetzen festgestellt, dass so gut wie kein Bundesland in jüngster Zeit eine solche Abwägung vorgenommen hat. Dafür habe ich null Verständnis." Musiker und Künstler hätten als Grundrechtsträger erst einmal einen Anspruch darauf, ihre Tätigkeit auszuüben. "Alle pandemiebedingten Einschränkungen müssen deshalb auf deren Zulässigkeit hinterfragt werden und verhältnismäßig sein", unterstrich Mertens.

Es sei ein Unterschied, "ob ich einen Landkreis mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von 500 Neuinfektionen habe - und deshalb die Kultureinrichtungen nicht öffnen kann - und eine Stadt, deren Sieben-Tages-Inzidenz bei unter 30 Fällen liegt". Er plädiere deshalb für lokal differenzierte Öffnungsstrategien, sagte Mertens: "Das ist eine Abwägungsfrage. Dort, wo die Inzidenzwerte extrem hoch sind, wird es schwierig, Theater oder Konzerthäuser zu öffnen. Dort wo die Werte extrem niedrig sind, da muss eine Öffnung möglich sein." Es könne nicht sein, "dass auf Länderebene pauschal gesagt wird, ab dem Inzidenzwert X ist flächendeckend Schicht im Schacht. Das ist aus meiner Sicht nicht zulässig."

Mertens lobte das Berliner Pilotprojekt "Testing", an dem unter anderen zwei Theater, zwei Opern- und zwei Konzerthäuser teilnehmen, um die logistische Machbarkeit von Veranstaltungen in Verbindung mit Antigen-Tests und Masken-Tragen auszuprobieren. Damit werde gezeigt, dass trotz einer höheren Inzidenz mit einem genauen Test- und Hygienekonzept Kultur wieder zugelassen werden könne, "ohne dass davon eine Gefährdung ausgeht". Es sei dabei eine Detailfrage, ob ein PCR-Test zur Anwendung komme oder ein Schnelltest ausreiche. Von den Inzidenzwerten hänge dann auch ab, ob 50 oder nur 30 Prozent der Sitzplätze besetzt werden dürfen. Entsprechende Konzepte lägen bereits seit Sommer vergangenen Jahres vor: "Inzwischen habe ich einen Hals wie eine Keksdose, dass diese Überlegungen bei der Grundrechtsabwägung überhaupt keine Rolle spielen", sagte er.