Welche Regeln gelten für Gottesdienste?
Religiöse Zusammenkünfte sind grundsätzlich weiterhin möglich - unter Wahrung der jeweiligen Hygieneauflagen. Das ist auch das Ergebnis der Gespräche zwischen Religionsvertretern und dem Bundesinnenministerium. Bund und Länder hatten in ihren Beschlüssen vom 25. November festgelegt, dass auf religiöse Großveranstaltungen aus Pandemieschutzgründen im Augenblick verzichtet werden muss. Entscheidend ist aber das lokale Infektionsgeschehen. Im Kreis Hildburghausen in Thüringen wurden etwa wegen der stark gestiegenen Fallzahlen Gottesdienste am ersten Adventswochenende untersagt. Andere Gemeinden sagen geplante Gottesdienste auch von sich aus ab. In Hannover, Braunschweig und Nürnberg finden etwa die geplanten Gottesdienste im Fußballstadion zu Heiligabend nicht statt.
Wie lauten die Hygieneregeln?
Alle Religionsgemeinschaften haben im Frühjahr Konzepte für ihre Gemeinden vorgelegt, wie dort unter Pandemiebedingungen sicher zusammen gebetet werden kann. Sie gelten nach wie vor. Dazu gehören Abstandsregeln, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, Teilnehmerbegrenzungen, Nutzung von Desinfektionsmitteln, Sammeln von Kontaktdaten für eine mögliche Nachverfolgung, Verkürzung von Gottesdienstzeiten, Lüften und der Verzicht auf gemeinsamen Gesang vor allem in christlichen Gottesdiensten. Im freikirchlichen Bereich wurden Gottesdienste vereinzelt zu Superspreading-Events, weil sich die Teilnehmenden nicht an die Regeln hielten.
Warum finden Gottesdienste statt, während Theater oder Fitnessstudios geschlossen bleiben müssen?
Freiheitsrechtlich genießt Kunst einen ebenso intensiven Grundrechtsschutz wie Religion, wie der Göttinger Kirchenrechtler Hans-Michael Heinig erläutert. Dennoch könne man in der derzeitigen Pandemielage aus rechtlicher Perspektive nicht von einer Diskriminierung des Kulturbetriebs im Vergleich zu religiösen Veranstaltungen sprechen. Denn die Rechtsordnung behandele auch sonst Religion anders als Kunst, sagt der Juraprofessor und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Den Regierungen gehe es um ein infektionsschutzrechtliches Gesamtkonzept. Hierbei habe der Gesetzgeber einen gewissen Spielraum, in welchen Lebensbereichen Kontakte noch erlaubt werden und wo Einschnitte nötig sind. "Das sind politische Entscheidungen, die demokratisch legitimiert sein müssen, aber sich einer superfein justierten Gleichheitsprüfung entziehen", sagt Heinig. Der Grundsatz des Willkürverbots werde daher nicht verletzt. Dennoch bröckele der rechtskulturelle Konsens, dass Religion etwas Besonderes ist.
Wie sollen die Kirchen und Religionsgemeinschaften mit diesen Freiheiten umgehen?
Laut Heinig wäre es ein Fehler, jetzt seitens der Religionsgemeinschaften den Rechtsrahmen einfach auszuschöpfen und möglichst viele Veranstaltungen abzuhalten, weil sie ja nicht verboten sind. Wenn Religionsgemeinschaften ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen, müssten sie sich freiwillig radikal begrenzen: auf Seelsorge, auf kleine und kurze geistliche Angebote, auf digitale Formate, auf den Schutz und die Begleitung der besonders Verletzlichen. Aus dem politischen Entgegenkommen erwachse große Verantwortung: Der drohende Zusammenbruch des Gesundheitssystems, die drohende harte Triage beträfen ja auch kirchlich getragene Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeheime.