Nach wie vor werde in der Gesellschaft der Wert der Geburt und des Aufwachsens von Kindern mit Behinderung in Zweifel gestellt, kritisierte July in seinem Bericht zum Auftakt der Herbstsynode, den er gemeinsam mit dem Chef der württembergischen Diakonie, Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, vortrug. Kindern mit einer Behinderung werde immer häufiger ihr fundamentales Recht auf Leben abgesprochen oder das Recht in Zweifel gestellt, geboren zu werden.
Diakonie-Direktor Kaufmann beobachtet, dass Autonomie und Selbstbestimmung zunehmend eine Schlüsselstellung im Wertesystem einnehmen. Dies habe sich auch in der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid vom Februar 2020 gezeigt. Das Urteil bringe zur Sprache, was für viele Menschen in Deutschland inzwischen selbstverständlich sei, auch für viele Christinnen und Christen: dass jeder Mensch als Einzelner das Recht habe, über das eigene Leben und das Leben seiner Kinder uneingeschränkt bestimmen zu können. Dabei beziehe sich diese Entscheidungsfreiheit nicht nur auf den Anfang und das Ende eines Lebens, sondern auch darauf, die Lebensqualität eines Menschen zu beurteilen.
###fotoreportage|169692###
Menschen, deren Kräfte am Lebensende schwinden, sei mit dem Urteil das Recht zugesprochen worden, ihrem Leben ein Ende setzen und dafür Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen. Die Gefahr bestehe aber, dass dadurch womöglich die Botschaft vermittelt oder gehört werden kann, dass das Recht auf Leben mit zunehmender Gebrechlichkeit ebenfalls fraglich wird, gab der Diakoniechef zu bedenken. Nach christlichem Verständnis gebe es allerdings keine Form der Bedürftigkeit oder der Behinderung, die dem Menschen irgendetwas von seiner Würde nehmen könnte, so Kaufmann.