Er hat sein Mündel Alex ja auch vor dem aalglatten Thomas Winter gewarnt. Der Mann ist quasi in flagranti neben der toten Gattin gefunden worden, streitet die Tat jedoch ab: Ein Unbekannter habe ihn niedergeschlagen und dann seine Frau erwürgt. Aber Alex, ohnehin der Meinung, sie brauche Wilsbergs Fittiche nicht mehr, musste ihren schönen Kopf durchsetzen und hat nicht gemerkt, dass ihn Winter ihr längst verdreht hat. Wilsbergs Kumpel Ekki müsste das eigentlich ergrimmen, schließlich ist nicht zu übersehen, dass er weit mehr als bloß freundschaftliche Gefühle für Alex hegt, aber Ekki hat ganz andere Probleme: Statt brav den Betrieb zu prüfen, hat er sich von windigen Werkstattbesitzern zu einer selbstredend illegalen Poker-Partie überreden lassen, und jetzt ist das Auto weg; "unser Auto", wie Wilsberg findet.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Timo Berndt hat sich die Geschichte ausgedacht. Mittlerweile ist er etwa dank seiner Drehbücher zu "Die Toten vom Bodensee" ein gefragter Autor. Vor "Royal Flush", "Wilsberg"-Episode Nummer 24 (Erstausstrahlung: 2008), hatte er Dramen ("Tarragona") oder die Action-Serie "Wilde Engel" geschrieben. Der Krimi wirkt, als habe er endlich auch mal eine Sitcom entwerfen wollen. Dank der flotten Dialoge hat man mitunter den Eindruck, Reinhard Münster, der auch den 23. "Wilsberg"-Krimi ("Filmriss") inszeniert hat, treibe seine Figuren regelrecht durch die Handlung. Dabei hält sich die Inszenierung durchaus ans übliche, gern auch mal gemächliche, aber nie träge "Wilsberg"-Tempo. Gerade die Comedy-Ebene mit den verschiedenen Bemühungen, aus Ekki (Oliver Korittke) einen Pokerspieler zu machen, sorgt immer wieder für beste Unterhaltung. Gleichzeitig bleibt die Geschichte aber jederzeit Krimi: Winter, der Mordverdächtige (Tobias Oertel), kann Alex (Ina Paule Klink) derart nachhaltig von seiner Unschuld überzeugen, dass sie ihm zur Flucht verhilft und damit ihre noch taufrische Lizenz als Anwältin riskiert. Wilsberg (Leonard Lansink) mag ihn trotzdem nicht, zumal der Mann bloß Angestellter im Betrieb seiner Frau war. Ekki mag ihn erst recht nicht: Der smarte Brotfabrikant entpuppt sich als ehemaliger Mitschüler, der ihn zu Schulzeiten ständig gemobbt hat. Genau das bricht ihm schließlich das Genick, obwohl er einen fast perfekten Plan eingefädelt hat. Eine intelligent konstruierte Geschichte mit teilweise herrlich komischen Dialogen: Auf diesem Niveau bleibt "Wilsberg" auch nach zehn Dienstjahren ein Evergreen.
Im Anschluss zeigt Neo den 25. Film der Reihe, "Interne Affären" (21.45 Uhr). Hauptfigur ist diesmal ausnahmsweise nicht der zerknautschte Privatdetektiv, sondern Freundfeindin Anna (Rita Russek). Die Kommissarin fühlt sich an ihrem Arbeitsplatz als Mobbing-Opfer, weil man ihr eine forsche junge Kollegin vor die Nase gesetzt hat. Die Vermutung erhält Verstärkung, als Anna ausdrücklich untersagt wird, im Todesfall einer Streifenpolizistin zu ermitteln. Die Frau arbeitete allein unter Männern. Angeblich hat sie auf nächtlicher Landstraße eine Kurve verfehlt. Anna ahnt: Da ist was faul, zumal die Tote bei ihrer letzten Autofahrt mit wichtigen Informationen auf dem Weg zu ihr war, doch Annas Chef will die Polizei aus den Schlagzeilen raushalten. Selbst Wilsberg vermutet, sie projiziere ihre eigenen Erfahrungen auf die tote Beamtin, lässt sich aber trotzdem einspannen. Prompt stellt sich raus: Der Unfall war keiner, und im Revier kursierten heimlich aufgenommene Nacktfotos der Toten. Anna triumphiert, nicht ahnend, dass die Kollegen noch viel mehr Dreck am Stecken haben.
"Interne Affären" ist ein hübsch doppeldeutiger Titel für diesen Münster-Krimi, der es ohnehin in sich hat. Das liegt sicher nicht allein daran, dass für Buch (Ulli Stephan) und Regie (Catharina Deus) zwei Frauen verantwortlich waren, aber einen gewissen Akzent werden die Damen schon zu verantworten haben. Als ungemein belebend erweist sich beispielsweise der Einfall, der diesmal sehr verletzlichen Anna eine Kollegin an die Seite zu stellen. Statt des üblichen Overbeck, für Wilsberg (Leonard Lansink) ohnehin ein rotes Tuch, agiert nun die ungleich ehrgeizigere Carola Sonntag, die den Krimi ungemein belebt; und das nicht allein, weil Wilsberg jetzt was zum Flirten hat. Äußerst schade, dass Katharina Wackernagel bloß ein Gastspiel gibt. Das gilt auch für Comedian Michael Kessler, der Carola Sonntag in einer Minirolle als Streifenpolizist ein Knöllchen verpasst.
Mindestens so gut wie die packende Umsetzung ist das komplexe Drehbuch, denn was vordergründig wie Mobbing wirkt, entpuppt sich erst als unglückliche Liebesgeschichte und dann als Fall für die Drogenfahndung. Etwas zu kurz kommt diesmal allein Wilsbergs Kumpel Ekki Talkötter (Oliver Korittke), der zum Ausgleich nach allzu ausgiebigem Konsum von Haschplätzchen die schönste Szene des Films hat.