Ärzteschaft fordert Liberalisierung des Embryonenschutzgesetzes

Ärzteschaft fordert Liberalisierung des Embryonenschutzgesetzes
Die Bundesärztekammer macht einen Vorstoß zur Liberalisierung des strengen Embryonenschutzgesetzes in Deutschland. Sie stützt sich auf die Erfahrungen der Reproduktionsmediziner. Das Gesetz sei veraltet und behindere moderne Fortpflanzungsmedizin.

Berlin (epd). Die Bundesärztekammer hat eine Liberalisierung des deutschen Embryonenschutzgesetzes gefordert. Das Gesetz sei veraltet und müsse an den medizinischen Fortschritt und neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden, forderte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, am Mittwoch in einer Online-Pressekonferenz.

Die Ärzteschaft werbe um eine Reform des Gesetzes spätestens in der kommenden Legislaturperiode, erklärte Reinhardt. Ärzteschaft und Gesetzgeber müssten dafür Sorge tragen, dass ungewollt kinderlosen Paaren möglichst risikoarm und erfolgreich geholfen werden könne. Dem stünden zentrale Regelungen im Embryonenschutzgesetz entgegen. Die FDP begrüßte den Vorstoß.

Die Bundesärztekammer spricht sie sich dafür aus, bei künstlichen Befruchtungen zu erlauben, dass mehr Embryonen als bislang erzeugt sowie wahrscheinlich entwicklungsfähige Embryonen identifiziert werden dürfen. Weiter fordert sie, das in Deutschland geltende Verbot der Eizellspende zumindest in engen Grenzen aufzugeben. Außerdem wollen die Ärzte klare rechtliche Regeln für die in Deutschland nicht verbotene Embryonenspende.

Das strenge Embryonenschutzgesetz von 1990 begrenzt bislang die Zahl der Embryonen, die pro Zyklus für künstliche Befruchtungen erzeugt werden dürfen auf drei - die sogenannte Dreierregel. Gleichzeitig dürfen nicht mehr Eizellen befruchtet als später in die Gebärmutter der Frau übertragen werden. Damit ist auch eine Selektion ausgeschlossen. Eine Ausnahme gibt es bislang nur nach strengen Kriterien bei der sogenannten Präimplantationsdiagnostik für Paare, die andernfalls keine Chance auf ein Kind und in der Regel durch Gen-Defekte bereits Fehl- oder Totgeburten durchgemacht haben.

Nach dem Willen der Bundesärztekammer sollen mehr Embryonen erzeugt werden und besser ausgewählt werden können, um möglichst nur einen, höchstens aber zwei Embryonen in die Gebärmutter einzusetzen. Damit würden für Mutter und Kind risikoreiche Mehrlingsschwangerschaften verhindert, erklärte der Reproduktionsmediziner Jan-Steffen Krüssel, der Leiter der Arbeitskreises, der das Memorandum verfasst hat.

Eine Eizellspende verbietet das Embryonenschutzgesetz ebenso. Danach darf eine Schwangerschaft nur bei der Frau herbeigeführt werden, von der die Eizelle stammt. Wissenschaftler und Ärzte in Kinderwunschzentren fordern seit längerem, die strengen deutschen Regeln zu reformieren. Sie argumentieren, damit könne mehr Eltern der Kinderwunsch erfüllt werden und Paaren in Deutschland eine künstliche Befruchtung mit einer Eizellspende angeboten werden, für die sie heute ins Ausland führen.

Der Argumentation schließt sich die Bundesärztekammer an. Sie fordert außerdem eine klare Erlaubnis sogenannter Embryospenden. Dabei werden die bei künstlichen Befruchtungen übrig gebliebenen Embryonen einem anderen Paar zur Verfügung gestellt. Sie gelten in Deutschland als nicht verboten, sind aber auch nicht ausdrücklich erlaubt. Der Ethikrat hatte bereits 2016 eine gesetzliche Klarstellung im Sinne einer Erlaubnis für die Embryospende gefordert. Eine Aufweichung der Dreierregel und eine Erlaubnis der Eizellspende hat er bislang kritisch gesehen.

Das deutsche Embryonenschutzgesetz, eines der strengsten im internationalen Vergleich, ist seit seinem Inkrafttreten nicht mehr wesentlich verändert worden. Leihmutterschaft und die Erzeugung menschlicher Embryonen für die Forschung sind danach verboten. Stark reguliert ist auch die Reproduktionsmedizin. Vorstöße für ein neues Fortpflanzungsgesetz und mehr Möglichkeiten für die Forschung an Embryonen kommen unter anderem von Experten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Die Bundesärztekammer fordert demgegenüber kein komplett neues Gesetz, hält aber die Forderungen der Praktiker in der Reproduktionsmedizin für unterstützenswert.

In der Politik setzt sich vorwiegend die FDP für eine Erweiterung der Forschungsmöglichkeiten und teilweise Legalisierung der Leihmutterschaft ein. Die Gesundheitsexpertin der FDP-Fraktion im Bundestag, Katrin Helling-Plahr, nannte den Vorstoß der Ärzteschaft "ein gutes Zeichen" und forderte ein fortschrittliches Fortpflanzungsgesetz.

epd co/bm mih