Der Landkreis Waldeck-Frankenberg gilt als eine der großen Tourismusregionen in Hessen. Um die neun bis zehn Millionen Besucher zieht es jedes Jahr hierhin, sagt Klaus Dieter Brandstetter von der "Touristik Service Waldeck-Ederbergland GmbH". Gut die Hälfte davon sind Übernachtungsgäste. Neben der Hauptattraktion Edersee mit seiner Talsperre hat die Gegend neben Wäldern, Schlössern und adretten Dörfern auch zahlreiche kleine und große Kirchen aufzuweisen. Rund 60 davon hat er in seinem Bereich gezählt, sagt Brandstetter, 48 davon an Wanderwegen oder in deren unmittelbarer Nähe gelegen. Und so sei gemeinsam mit dem evangelischen Kirchenkreis der Eder die Idee entstanden, diese Attraktionen auf einer kürzlich erschienenen Wanderkarte einzutragen.
"Kirchenentdeckungen und Wandern passt gut zusammen", sagt Nina Wetekam, Fachreferentin für Offene Kirchen der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, die mit an der Umsetzung des Projektes gearbeitet hat. "Der Besuch einer Kirche gibt den Gedanken einen anderen Raum, die Geborgenheit kontrastiert mit der Weite der Natur", sagt sie. "Wir wollen Lust machen, die Vielfalt unserer Kirchen zu entdecken", ergänzte Dekanin Petra Hegmann. Zu finden seien Kirchen aus ganz unterschiedlichen Bauepochen.
"Kirchenentdeckerpass"
Um die Lust und die Motivation der Wanderer für einen Kirchenbesuch zu steigern, haben die Verantwortlichen einen "Kirchenentdeckerpass" entwickelt. In diesen können Besucher der Kirchen mit einem der dort ausliegenden Aufkleber ihren Besuch dokumentieren. Wer mindestens 24 Aufkleber gesammelt hat, kann sich im Dekanat in Frankenberg eine kleine Überraschung abholen, sagt Hegmann. Um was genau es sich handelt, wird nicht verraten. Allerdings wird es bis Mitte oder Ende der hessischen Sommerferien dauern, bis alle Kirchen mit Aufklebern ausgestattet sind, schränkt Jörg Rimbach, Öffentlichkeitsbeauftragter des Kirchenkreises, ein.
Eine echte Wanderkarte kann die "Himmlische Ansichten" betitelte Karte freilich nicht ersetzen. Aber sie zeigt an, wo die Kirchen genau zu finden sind und gibt kurze Erläuterungen, was jeweils besonders sehenswert ist. Das reicht von einer bemalten Holzdecke in Niederwerbe bis hin zu modernen Fenstergestaltungen in Anraff. Ebenso von der gewaltigen Klosterkirche der Zisterzienser in Haina bis hin zum berühmten Altarbild mit insgesamt 153 dargestellten Personen des mittelalterlichen Malers Conrad von Soest in der Bad Wildunger Stadtkirche. Letzteres, ein um 1403 entstandenes Werk, bezeichnet Propst Helmut Wöllenstein als von "unschätzbarem Wert". Es hält zudem für den Betrachter Überraschungen parat: So etwa einen Apostel, der eine Brille trägt - die früheste Abbildung einer Brille nördlich der Alpen.
Virtuelle Begrüßung durch Pfarrer
Im Bereich des Edersees sind die Wanderkirchen identisch mit den 14 bereits als "Radwegekirchen" ausgewiesenen Gotteshäusern. Hier werden Besucher sogar virtuell vom jeweiligen Pfarrer begrüßt, können dem Orgelspiel der Kirchenorgel oder gar einer kurzen Andacht lauschen - wenn auch nur vom Band. Insgesamt sind 27 der 48 Kirchen tagsüber geöffnet, darunter alle 14 Radwegekirchen, sagt Wetekam. Bei den anderen 21 Kirchen hängen Hinweise aus, wo ein Schlüssel geholt werden kann.
Georg Hofmeister von der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen, die rund 350 Radwegekirchen in ganz Deutschland unterstützt, sieht im Ederradweg ein Modell, wie Kirche und Tourismusverbände zusammenarbeiten können. Es handelt sich um ein niederschwelliges kirchliches Angebot, stellt er fest. "Vorbeifahrende nehmen die Radwegekirchen als einen Ort der Ruhe und Spiritualität, des Kraft-Schöpfens und Ausruhens in Anspruch", erklärt er. Genau das gilt nun auch in abgewandelter Form für die Kirchen an den Wanderwegen. Die beliebte Urlaubsregion ist um eine weitere Attraktion reicher geworden.