Corona im Schlachthof: Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt

Corona im Schlachthof: Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt
Geschäftsführerin der Grünen erstattet Strafanzeige gegen Tönnies
Die Corona-Infektionen im ostwestfälischen Tönnies-Schlachtbetrieb beschäftigt nun auch die Ermittlungsbehörden. Nach fünf Strafanzeigen ermittelt die Staatsanwaltschaft. NRW will sich für ein Gesetz gegen Billigfleisch einsetzen.

Düsseldorf (epd). Nach dem massiven Corona-Ausbruch in der Fleischfabrik Tönnies im Landkreis Gütersloh hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld die Ermittlungen aufgenommen. In dem Verfahren zunächst gegen Unbekannt bestehe ein Anfangsverdacht der fahrlässigen Körperverletzung und des Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz, sagte Oberstaatsanwalt Martin Temmen dem Bielefelder "Westfalen-Blatt". Mit Stand Freitagmittag lägen fünf Strafanzeigen vor, darunter auch die von Britta Haßelmann, der Parlamentarischen Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag.

In der Politik mehrten sich die Forderungen nach einem besseren Arbeitsschutz in der Fleischindustrie. Die nordrhein-westfälische Landesregierung kündigte eine Bundesratsinitiative an, um zu niedrige Preise für Fleisch zu unterbinden.

Haßelmann sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag in Berlin, der große Ausbruch lasse "sich nur durch eine massive Nicht-Einhaltung von Arbeitsschutzstandards, Arbeitsbedingungen sowie einer unverantwortlichen Wohn-, Unterbringungs- und Transportsituation" erklären. Ihre Anzeige wegen Körperverletzung und weiterer in Betracht kommender Delikte ging am Donnerstag per Telefax an die Staatsanwaltschaft Bielefeld. Haßelmann hat dort und im benachbarten Kreis Gütersloh ihren Wahlkreis.

"Die Zustände in den Schlachtfabriken sind unhaltbar", sagte Haßelmann. Die Tönnies-Werke in Rheda-Wiedenbrück seien kein Einzelfall. "Die miserable Unterbringung der Beschäftigten und schlechte hygienische Bedingungen sind ein enormes Infektionsrisiko", kritisierte die Grünen-Politikerin. An den Folgen des Ausbruchs litten die infizierten Beschäftigten und die Menschen im Kreis Gütersloh. Die Firma Tönnies müsse dafür die Verantwortung übernehmen.

NRW-Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) kritisierte, der Preisdruck im Lebensmittelhandel wirke sich auf die gesamte Kette aus, also auch die Schlachtbetriebe. "Wir müssen die gesamte Kette vom Stall bis zum Teller in den Blick nehmen", sagte sie der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Freitag). Die Landesregierung arbeite an einer Bundesratsinitiative, um zu niedrige Preise für Fleisch deutlich zu erschweren.

Greenpeace begrüßte den nordrhein-westfälischen Vorstoß, forderte aber weitere Nachbesserungen beim Tierschutz. "Das kranke System Billigfleisch funktioniert nur, wenn Tiere weiter gequält werden", erklärte Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter und forderte: "Damit muss endlich Schluss sein."

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck bemängelte strukturelle Probleme in der Fleischindustrie. Das Eckpunktepapier von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sei nur ein erster Schritt, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). "Das System des 'immer mehr und immer billiger' muss beendet werden."

Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums bekräftigte am Freitag in Berlin, es werde mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf gearbeitet, um den Arbeitsschutz zu verbessern. Er solle im Sommer vorgelegt werden.

Das Bundeskabinett hatte im Mai Eckpunkte zur Verschärfung der Auflagen für die Fleischindustrie beschlossen. Vorgesehen sind unter anderem häufigere Kontrollen des Arbeitsschutzes, höhere Bußgelder und Auflagen für die Unterbringung ausländischer Arbeiter. Kern ist ein Verbot von Werkverträgen, damit Betriebe wie Tönnies die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen und Unterbringung von Arbeitern nicht länger auf Subunternehmer abwälzen können.

Wegen des Infektionsausbruchs wurden Kitas und Schulen im Kreis Gütersloh geschlossen und 7.000 Menschen unter Quarantäne gestellt. Nach Angaben des Kreises wurden bisher rund 1.100 Tönnies-Beschäftigte auf das Virus getestet, davon 730 positiv. Weitere 5.000 Menschen müssen noch untersucht werden.