Gewerkschafter: Corona kostete in EU bis zu 20 Millionen Jobs

Gewerkschafter: Corona kostete in EU bis zu 20 Millionen Jobs
17.05.2020
epd
epd-Gespräch: Phillipp Saure

Brüssel (epd). Bis zu 20 Millionen Menschen könnten nach Schätzungen des europäischen Gewerkschaftsbundes Etuc in der EU durch die Corona-Krise bereits ihre Arbeit verloren haben. Mindestens 15 Millionen und vielleicht 20 Millionen Menschen hätten ihre Stelle aufgeben müssen, sagte der Generalsekretär des europäischen Dachverbandes, Luca Visentini, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Brüssel. Weitere 42 Millionen Menschen hätten Kurzarbeitergeld oder eine ähnliche Unterstützung beantragt. "Es hängt natürlich viel von den verschiedenen Ländern, den verschiedenen Branchen und den Maßnahmen ab, die die verschiedenen Länder eingesetzt haben."

Ein Grund für Jobverlust ist nach Visentini fehlender Zugang zu Kurzarbeitsregelungen. "Zu Beginn der Lockdowns hatten nur 16 Länder von 27 irgendeine Art von Kurzarbeit- oder Einkommenskompensationsmaßnahmen." Bis Mitte April hätten die übrigen elf EU-Mitgliedstaaten nachgezogen, sagte der Italiener, der seit Oktober 2015 Generalsekretär der European Trade Union Confederation (Etuc) ist. Diese vereint nach eigenen Angaben rund 90 Gewerkschaftsverbände aus 38 europäischen Ländern, darunter den EU-Ländern. In Deutschland gehört ihr der DGB an.

Nicht alle Firmen profitierten von Kurzarbeitergeld, Probleme gebe es besonders für kleine und mittlere Betriebe, sagte Visentini. Die Länder müssten den Kreis der Empfänger ausweiten und schneller auszahlen. Andererseits könne für den Staat die Finanzierung schwierig werden. Deshalb drängte der Gewerkschafter die EU-Länder, das von der EU-Kommission auf den Weg gebrachte Instrument SURE zu verabschieden und mit Garantien zu unterlegen. Es soll Geld an Mitgliedstaaten leihen, damit sie Kurzarbeit und ähnliche Regelungen finanzieren können. Es bestehe die Gefahr, dass SURE "nicht vor Herbst einsatzfähig ist", warnte Visentini.

Mit Blick auf den Schutz von Beschäftigten vor dem Coronavirus am Arbeitsplatz sieht Visentini große Unterschiede zwischen Branchen und Berufen. In öffentlichen Krankenhäusern wie im öffentlichen Verkehr oder in Supermärkten seien die Mitarbeiter insgesamt mittlerweile ziemlich gut geschützt. Ein ganz anderes Bild ergebe sich zum Beispiel in privat geführten Altenheimen, "sehr oft war es ein Desaster", urteilte er. Viele Alte ebenso wie das Pflegepersonal hätten sich infiziert. Ähnliches gelte für die Landwirtschaft oder Fahrer, die Essen ausfahren.

Über die Aufhebung von Beschränkungen in den EU-Ländern äußerte sich Visentini zurückhaltend. Auf der einen Seite gebe es den Druck, die Wirtschaft wieder anzufahren, auf der anderen Seite die Notwendigkeit, die Gesundheit aller zu schützen. "Es liegt wirklich in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, ein Gleichgewicht zu finden."