Expertin: Corona-Pandemie trifft Tuberkulose-Erkrankte hart

Expertin: Corona-Pandemie trifft Tuberkulose-Erkrankte hart
22.03.2020
epd
epd-Gespräch: Jan Dirk Herbermann

Genf (epd). Die Corona-Pandemie untergräbt laut Tuberkulose-Experten den Kampf gegen die weltweit schlimmste Infektionskrankheit. "Jedes Jahr sterben rund 1,5 Millionen Menschen an der Tuberkulose, keine andere Krankheit führt zu so vielen Todesfällen", sagte Lucica Ditiu, Direktorin des Netzwerks Stop TB Partnership, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf. "Und die Corona-Krise wird die Lage weiter verschärfen", erklärte die rumänische Medizinerin zum Welt-Tuberkulose-Tag am 24. März.

Wenn Tuberkulose-Infizierte sich auch noch mit dem neuen Corona-Erreger ansteckten, dann führe das fast zwangsläufig zu einer komplizierteren Form von Covid-19, betonte Ditiu. So sei auch der erste Corona-Todesfall in Südamerika mit Tuberkulose verbunden gewesen. Pro Jahr erkranken laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund zehn Millionen Menschen neu an Tuberkulose, die meisten in armen Ländern. Mangelernährung und Armut verstärken die Anfälligkeit und erschweren eine Heilung. Auch das Zusammenspiel mit der Immunschwächekrankheit Aids ist häufig tödlich.

Dass sich viele Länder jetzt auf den Kampf gegen die Corona-Pandemie konzentrieren, bezeichnete die Direktorin des Netzwerkes gegen Tuberkulose als weitere Herausforderung. "Viele Mediziner, die sich auf Tuberkulose spezialisiert haben, werden nun gegen Covid-19 eingesetzt." Zudem sei zu erwarten, dass mehr und mehr Betten in Tuberkulose-Stationen für Covid-19-Patienten freigemacht werden müssten. "Die Tuberkulose-Patienten könnten nach Hause geschickt werden und andere Menschen infizieren", warnte die Medizinerin.

Zudem könnte es zu ernsthaften Problemen bei der Nachbehandlung von TB-Patienten kommen. "Die Behandlung der Tuberkulose ist ein langer Prozess, in vielen Schritten", sagte Ditiu. "Wenn die Menschen aus den Krankenhäusern entlassen werden, brauchen sie weiter medizinische und auch psychologische Unterstützung." Doch genau diese Unterstützung drohe während der Corona-Pandemie wegzufallen.

Außerhalb des medizinischen Bereichs erkennt die Chefin der Stop TB Partnership große Probleme beim Transport von Medikamenten: "Wir verzeichnen lange Wartezeiten aufgrund der umfangreichen Grenzschließungen in vielen Ländern."

Der Stop TB Partnership gehören mehr als 1.700 internationale und nationale Gesundheitsorganisationen, Regierungsprogramme, Forschungseinrichtungen, Gesundheitsfonds, Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und Firmen in 100 Ländern an. Das Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, die eigentlich heilbare Krankheit Tuberkulose so schnell wie möglich auszurotten. Eine qualitativ hochwertige Diagnose, Behandlung und Betreuung müssten für jeden Erkrankten garantiert sein.