Heimunterricht: Lehrerverband befürchtet wachsendes Leistungsgefälle

Heimunterricht: Lehrerverband befürchtet wachsendes Leistungsgefälle
20.03.2020
epd
epd-Gespräch: Michaela Hütig

Berlin (epd). Der Deutsche Lehrerverband warnt davor, dass sich infolge des derzeitigen Heimunterrichts wegen der Corona-Krise das Leistungsgefälle zwischen Schülern weiter vergrößern könnte. "Die Schere zwischen Schülern mit und ohne Unterstützung von zu Hause wird weiter aufgehen", sagte Präsident Heinz-Peter Meidinger dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Leistungsschwächere Schüler drohen unter die Räder zu kommen." Wegen der Corona-Pandemie sind in Deutschland sämtliche Schulen geschlossen. Rund elf Millionen Schülerinnen und Schüler müssen von zu Hause aus lernen.

Drastische Folgen drohen nach Angaben von Meidinger vor allem, wenn die Schulschließungen länger andauern sollten. "Wenn es bei drei Wochen bleibt, können wir die Effekte noch einigermaßen im Rahmen halten, etwa durch Wiederholungskurse nach den Ferien", erklärte er. "Aber wenn der Zustand länger andauert, dann bekommen wir ein ganz großes Problem. Vor allem Kindern aus bildungsfernen Familien drohen dann Nachteile für die weitere schulische Laufbahn."

Ein großer Druck laste aktuell auf den Eltern, die ihre Kinder beim Lernen zu Hause unterstützen sollten, betonte der Verbandspräsident: "Die größte Herausforderung haben die Eltern, das muss man wirklich sagen." Zum einen seien viele Väter und Mütter stark damit ausgelastet, ihre eigene Arbeit im Home-Office mit der Betreuung der Kinder unter einen Hut zu bringen. Zum anderen seien sie zum größten Teil nicht didaktisch auf die Aufgabe als Ersatzlehrer vorbereitet: "Eltern sind natürlich nicht dahin ausgebildet, um komplexe schulische Sachverhalte zu erklären."

Eltern sollten auch von dem Anspruch Abstand nehmen, den normalen Schulunterricht zu Hause ein zu eins fortsetzen zu wollen, riet Meidinger. "Eine Konzentration auf die Kernfächer und Schwerpunkte ist sinnvoller", sagte er. "Und es müssen auch nicht vier oder fünf Stunden pro Tag sein, zwei Stunden intensiven Arbeitens nach dem eigenen Biorhythmus sollten in der Regel reichen, für Grundschulkinder auch schon eine Stunde." Es wäre bereits ein Erfolg, wenn ein Viertel des regulären Stoffs im "Homeschooling" vermittelt werde.

Insgesamt räche sich in der aktuellen Krise, dass die Schulen bundesweit digital völlig unterschiedlich aufgestellt seien, beklagte Meidinger: "Manche haben noch nicht einmal WLAN oder ein Elternportal, andere dagegen habe alle Möglichkeiten bis hin zu Videokonferenzen." Wenn keine Lernportale zur Verfügung stünden oder diese überlastet seien, leiste alternativ "das alte Schulbuch" gute Dienste, erklärte der Leiter eines Gymnasiums im niederbayerischen Deggendorf.

Um einem "Lagerkoller" ihrer Kinder vorzubeugen, sollten Eltern auch jenseits des Lernens für einen strukturierten Tagesablauf und sinnvolle Beschäftigungen wie etwa Brett- und Kartenspiele sorgen, empfahl der Pädagoge: "Jetzt ist vielleicht auch die Zeit dafür, den Bücherschrank noch mal aufzumachen."