"Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder sein" – so verkündet es Pfarrer Holger Milkau zu Beginn in der Liturgie des Gottesdienstes, der unter dem Motto steht: "Frieden muss noch werden". Die evangelisch-lutherische Kreuzkirche in Dresden ist ein passender Ort dafür, ist sie doch eine "verwundete Kirche", wie der sächsische Oberlandeskirchenrat Thilo Daniel sie in seiner Predigt nennt: Das Kreuz an der Decke hält die im Krieg stark beschädigte Kirche, die auch Predigtkirche des sächsischen Landesbischofs ist, gleichsam zusammen.
Geschmückt ist die Kirche seit gestern mit etlichen bunt bemalten, sieben Meter langen Bannern, die von oben herabhängen. Die sogenannten "Friedensbanner" sind in mehreren Workshops der Chemnitzer Montessori-Schule entstanden und spiegeln die Themen der Synode wider: Gegenwart und Zukunft, Familie und Arbeit, Frieden, Gerechtigkeit und Umweltschutz. 140 Stück gibt es mittlerweile von ihnen, aneinandergereiht ergibt das eine Länge von 1 000 Metern, wie Initiator Gerald Richter im Gottesdienst vorrechnet. Doch sei das nicht das Wichtige, ihm lägen die damit ausgedrückten Sorgen und Wünsche der jungen Menschen am Herzen.
Die Schriftlesung erfolgt passend zur heutigen Eröffnung der Friedensdekade aus Lukas 6: "Liebt eure Feinde…" Im Anschluss erklingt ein ergreifendes "Verleih uns Frieden" (Heinrich Schütz), vorgetragen vom traditionsreichen Dresdner Kreuzchor.
Bei so viel Aufforderung zum Frieden ist es ein spannender Moment, als Thilo Daniel die Kanzel betritt. Er beginnt tatsächlich mit dem Frieden in seiner Landeskirche: "Wir sehen, dass wir ihn nicht herstellen können", konstatiert er mit entwaffnender Ehrlichkeit, "nur erwarten." Daniel hat vorläufig die Amtsgeschäfte des zurückgetretenen sächsischen Landesbischofs Carsten Rentzing übernommen. Rentzing hatte am 11. Oktober sein Bischofsamt zur Verfügung gestellt. Es war bekanntgeworden, dass er zwischen 1989 und 1992 als Autor für die rechtskonservative Zeitschrift "Fragmente" tätig war. Das sächsische Landeskirchenamt stufte die von ihm als Student verfassten Texte als "elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich" ein. Viele Spannungen habe die Frage verursacht, "wofür wir sind und wogegen wir sind", so Daniel weiter in seiner Predigt. Und: "Unfrieden hat es gestiftet, dass wir für viele die Antwort auf diese Frage schuldig geblieben sind." Deshalb bestehe die Gefahr, das Verbindende, die Mitte des Glaubens, zu verlieren. "Der Frieden, er braucht wohl dauerhaften Einsatz, aber mehr noch eine Haltung, die von Hass nichts hält", so Daniel. Es brauche ein festes Vertrauen in einen Frieden, der stärker sei als Hass. "Hass von wem auch immer auf wen auch immer."
Das Kreuz ist zum Lebensbaum geworden
Mit Psalm 85 ("Könnte ich doch hören, was Gott der HERR redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, auf dass sie nicht in Torheit geraten.") aber wendet sich der Oberlandeskirchenrat den Hoffnungszeichen zu, den Bildern (gemeint sind die Friedensbanner) und vor allem den Stimmen der Jungen, die über die Generationen hinweg hoffen lassen, "dass der Glaube die Botschaft des Friedens und der Versöhnung ist." Schließlich habe die friedliche Revolution vor 30 Jahren unter anderem genau hier in der Kreuzkirche begonnen, unter diesem Kreuz an der Decke. Ein Zeichen der Hoffnung, "dass das Kreuz nicht ein Symbol der Gewalt geblieben ist, sondern am Ostermorgen zum Lebensbaum geworden ist." Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung seien der Herzschlag der friedlichen Revolution in der DDR gewesen, die vor 30 Jahren zur Grenzöffnung führte.
Bei der geläufigen Predigtschlussformel "Der Friede, der höher ist als alle Vernunft (Philipper 4, Vers 7)" weist der sächsische Oberlandeskirchenrat schließlich darauf hin, dass es eben nicht gegen die Vernunft ginge, sondern über sie, höher. Und Umkehr bedeute eben kein Zurück, sondern einen Neuanfang. So könne es dann heißen: "Schalom - Fäuste öffnen sich und Wege werden frei."
Das sich anschließende Abendmahl leitet Kreuzkirchenpfarrer Milkau dann passend mit den Worten ein, dass Christus gerade in ihm seinem Frieden eine Gestalt verliehen habe, während hinter ihm eines der Banner verkündet: "Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg."
Und so bekommen sowohl die Einleitung ("Gehet hin im Frieden des Herrn"), als auch der Schluss des aaronitischen Segens ("…und gebe dir Frieden.") noch einmal ein besonderes Gewicht, als die Gemeinde samt Synodalen ihr "Amen" sagt.