Marliese Luy klopft im Frankfurter Markus-Krankenhaus an die Tür eines Krankenzimmers, ein älterer Herr liegt im Bett am Fenster. Sie sei eine der Grünen Damen, stellt Luy sich vor und fragt, ob sie etwas für ihn tun könne. Er freut sich sichtlich, braucht aber keine Unterstützung. Bald komme die Familie. Marliese Luy verabschiedet sich, klopft an die nächste Zimmertür.
Jede Woche dreht Luy ihre Runde. Sie ist eine von 35 Grünen Damen und Herren im Agaplesion Markus Krankenhaus - wobei die Damen deutlich überwiegen. Ihr Name geht auf die grünen Kittel zurück, die sie während ihrer Arbeit tragen. Sie besuchen ehrenamtlich Patienten in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeeinrichtungen, machen kleine Besorgungen und haben Zeit für ein Gespräch. Mehr als 7.600 sind bundesweit engagiert.
In diesem Jahr feiert der Besuchsdienst Jubiläum, es gibt ihn seit 50 Jahren. Auf der Bundestagung am 15. und 16. Oktober in Bonn sind dazu ein Festgottesdienst, Vorträge und eine Podiumsdiskussion geplant.
Nie nach der Krankheit fragen
Marliese Luy ist seit sieben Jahren Grüne Dame. Im Vorraum eines Operationssaales versucht sie, die Patienten vor der Operation ein wenig zu beruhigen: "Die Zeit vergeht schneller, wenn man ein wenig plaudern kann. Das nimmt die Nervosität", sagt sie. Auf den Überwachungsmonitoren könne man dann sehen, wie der Puls nach unten gehe.
"Im Kontakt mit den Patienten muss man sich zurücknehmen", betont die 65-Jährige. Sie versucht, sich auf deren Bedürfnisse einzustellen und herauszufinden, ob sie ein wenig zu mehr Wohlbefinden beitragen kann. Sei es, indem sie aus der Zeitung vorliest, ein Eis holen geht oder einfach nur ein paar Minuten Zeit hat. Sie frage prinzipiell nie nach der Krankheit, sagt sie, aber es komme immer wieder vor, dass Menschen ihr Herz ausschütteten.
Renate Drüker leitet den Einsatz der Grünen Damen und Herren im Markus-Krankenhaus. Die 69-Jährige ist zugleich Länderbeauftragte für Hessen der Evangelischen Kranken- und Alten-Hilfe (eKH), dem Trägerverein. "Wahrnehmen geht vor reden", nennt sie das Motto ihres Teams. "Ich schaue mir den Nachttisch an, registriere, ob dort Blumen oder Bilder von den Enkeln stehen und habe dann schon einen Eindruck, ob sich jemand um den Patienten kümmert oder nicht."
Sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter geben den Patienten die Zuwendung, für die das Pflegepersonal keine Zeit hat. Pflegetätigkeiten übernehmen die Grünen Damen nicht.
Nicht jeder könne diesen Dienst leisten, der auch belastend sein könne, sagt Käte Roos, die ehrenamtliche Bundesvorsitzende der eKH. Deshalb bietet ihre Institution den Mitarbeitenden eine Basisfortbildung an. Darin geht es unter anderem um die Frage, wie man in ein ungeplantes Gespräch hineingeht - weil man ja nie wisse, was einen im Patientenzimmer erwarte. Für die Einsatzleiterinnen in den Einrichtungen gebe es zudem ein Mentorenangebot, sagt Roos.
Problematisch ist nach den Worten der Vorsitzenden seit einigen Jahren die Finanzierung der Arbeit: "Wir brauchen im Ehrenamt gesicherte Strukturen." Allein mit Spenden seien diese aber nicht mehr zu finanzieren. Deshalb bitte man die Ehrenamtlichen inzwischen, der eKH beizutreten und einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 24 Euro zu bezahlen.
Schwierige Nachwuchssuche
Ein weiteres Problem sei der Nachwuchs. Deshalb versuche die eKH verstärkt, auch Menschen im Vorruhestand und Studierende anzusprechen. Eine Hemmschwelle für viele sei die Regelmäßigkeit der Einsätze, weiß Roos. Interessenten sollten drei Stunden Zeit pro Woche an einem festen Termin mitbringen.
Käte Roos erinnert sich noch an die Gründung des Trägervereins für die Grünen Damen und Herren vor 50 Jahren. Sie hatte damals gerade ihre Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen. "Vonseiten der Pflege hat man schon geschaut, ob uns da jemand die Arbeit wegnehmen will." Angesichts des damaligen Pflegenotstands habe sich diese Frage aber schnell erübrigt. In den Krankenhäusern und Altenheimen sei man schnell zu der Erkenntnis gelangt, dass die ehrenamtliche Hilfe ein zusätzliches Angebot für die Patienten sei, das die Qualität einer Einrichtung steigern kann.
Gründerin der Grünen Damen in Deutschland war Brigitte Schröder (1917-2000). Sie begleitete ihren Mann, den CDU-Politiker Gerhard Schröder - in den 50er und 60er Jahren Innen-, Außen- und Verteidigungsminister der Bundesrepublik - auf Dienstreisen nach Amerika. Dort lernte sie den "Volunteer Service" kenne, den Freiwilligendienst. Dessen Mitglieder trugen während ihrer Arbeit in Krankenhäusern pinkfarbene Kittel, weshalb sie die "Pink Ladies" genannt wurden. In Anlehnung daran gründete Brigitte Schröder im Herbst 1969 die Evangelische Krankenhaus-Hilfe mit den Grünen Damen.
Marliese Luy aus Frankfurt mag ihr Ehrenamt. "Ich bekomme sehr viel zurück", sagt sie. Und Renate Drüker betont, dass man nirgendwo so viel über das Leben lerne wie im Krankenhaus: "Es mag kitschig klingen, aber es tut gut, etwas Gutes zu tun. Das ist eine Win-win-Situation."