Wenn Synodaltagungen in evangelischen Kirchen meist eines sind, dann: Orte der Harmonie. Man kann zwar in Sachfragen auch mal unterschiedlicher Meinung sein, das klärt man mitunter schon emotional, vor allem aber immer wertschätzend. In den Kirchenparlamenten fliegen nie so richtig die Fetzen. Umso spannender war deshalb ein Experiment am Sonntagabend bei der Tagung der 12. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Würzburg. Da wurden junge Menschen auf die Bühne des Plenums eingeladen und sollten über ihren Glauben reden, über ihre Sicht auf Kirche. Das Ergebnis: viel Klartext.
Die sieben Unter-Dreißigjährigen auf der Bühne fackelten nicht lange: Die Gottesdienste am Sonntagmorgen sind langweilig. Die Lieder aus dem Gesangbuch dröge und strahlen zu wenig Lebensfreude aus. Wie übrigens vieles in und an der Kirche. Auch Hierarchie ist ziemlich doof. Und Autoritäten, die einen mit ihren Titeln einschüchtern sollen, wollen oder es zumindest tun. Glaubwürdigkeit finden "die Jungen" dagegen wichtig. Die Exklusivität, die Kirche für viele ausstrahlt, problematisch. Und: Kirche ist oft nicht mutig genug, die vielen tollen neuen Ideen, die junge Menschen haben, einfach mal in die Tat umzusetzen.
Nun, am Sonntagabend zeigte die EKD etwas Mut. Wer lädt sich schon freiwillig jemanden ein, um sich dann mal öffentlich so richtig den Kopf waschen zu lassen? Zugegeben: Die sieben jungen Menschen aus der Stadt Würzburg und der näheren Umgebung waren keine Kirchen- oder Glaubensfernen, die Institution Kirche sehen sie bisweilen aber trotzdem kritisch. Stephanie Kasch zum Beispiel sagte: "Voll sind nicht die Kirchen am Sonntagmorgen um 10 Uhr, sondern die Angebote der Freikirchen." Auch, weil es dort keine eigenen "Jugendgottesdienste" brauche: "Bei diesem Wort fühle ich mich mit 24 Jahren null angesprochen."
Die Diskussion auf dem Podium kreiste an diesem Abend viel um das Thema, ob man als Christ überhaupt "die Kirche" braucht, um seinen Glauben zu leben. Nein, fand Bastian Mogel: "Ich kann mich auch in mein Zimmer setzen und glauben." Mit auf dem Podium saß auch Jana Highholder, die mit ihrem Youtube-Kanal das "junge Gesicht" der EKD ist. Sie versuchte eine Lanze für landeskirchliche Gottesdienste zu brechen: "In die Kirche zu gehen soll einem guttun!" Mogel aber war überzeugt, mit seinem Kita-Praktium der evangelischen Gemeinschaft insgesamt mehr zu dienen als mit unmotiviertem Gottesdienstbesuch.
Ein weiterer Schwerpunkt der von Moderator und Theologe Julian Sengelmann geleiteten Diskussion: Glaubwürdigkeit. Musiker Johannes Falk, der neben kurzen musikalischen Intermezzi auch mitdiskutierte, stellte den Frei- und Landeskirchen dabei kein gutes Zeugnis aus. "Die Wahrnehmung der Leute draußen ist, dass sie uns nicht verstehen. Es ist so schade!" Viele Menschen da draußen trügen eine Sehnsucht nach Spiritualität in sich, aber die Kirche schaffe es nicht, diese "Quellen" zu heben. "Wenn Kirche gestelzt über die sozialen Medien ihre Botschaft rüberbringen will, ist das jedenfalls nicht glaubwürdig."
Das liege sicher auch am "Kirchensprech", sagte Highholder: "Wenn ich beispielsweise bei einem Videodreh sage: 'Wir sind gerettet!', schauten sie ihr Kamera- und Tonmann verwirrt an: "Wovon denn?" Das Wording für "Immer-Schon-Christen" erreiche die Menschen außerhalb kirchlicher Dunstkreise nicht: "Wir wollen aber nicht in erster Linie Youtube-Videos von Christen für Christen machen, sondern den Nicht-Christen dadurch eine Einladung machen." Das wiederum stieß Moderator Sengelmann auf: "Einladung ist so ziemlich das 'churchieste' Wort, das ich kenne." Damit verprelle man eher Leute, als sie zu gewinnen.
Die knapp einstündige Debatte war schnell zu Ende - zu schnell. Nur ein Bruchteil dessen, was jungen Menschen unter den Nägeln brennt, konnte angesprochen werden. Sengelmann sagte erschrocken: "Wir sind schon über der Zeit! Ich hatte doch noch 19 Seiten vorbereitet!" Nach dem Podium diskutierten die Synodalen noch etwa 30 Minuten mit 50 weiteren jungen Leuten unter 30 Jahren in Kleingruppen weiter. "Wir hoffen, dass die Synodalen einige Anregungen mit in die Beratungen der kommenden Tage nehmen", sagten Christiane de Vos und Jacqueline Barraud-Volk, die das Jugend-Experiment vorbereitet hatten.