Halleluja! Das Signal, das von dieser Synode ausgeht, ist deutlich. Die EKD macht ernst mit der Digitalisierung: Immerhin 2,2 Millionen Euro will sie 2019 für den digitalen Wandel ausgeben. So hat es eine Projektgruppe vorgeschlagen und so hat es die Synode gestern beschlossen. Vor vier Jahren hat die EKD sich auf ihrer Tagung in Dresden selbst verpflichtet, den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten - jetzt macht sie es auch. So viele Synodale wie selten haben sich in der Debatte zu Wort gemeldet und fast alle waren sich einig: Da müssen wir ran.
Jetzt also gibt es einen Plan. Das Wort Strategie wäre vermutlich ein wenig zu hoch gegriffen. Denn die Einhelligkeit, mit der die "Digitalisierungs-Offensive" jetzt beschlossen wurde, ist zugleich auch Ausdruck einer gewissen Ratlosigkeit. Alternative Konzepte oder Gegenvorschläge lagen in Würzburg nicht auf dem Tisch. Die entscheidende Frage kann heute aber eigentlich nicht mehr lauten, ob die Kirche die Digitalisierung angehen soll, sondern wie sie dies tut. Interaktive Medien, Vernetzung und freier Zugang zu Wissen und Diskursen stellen schließlich die im Kern hierarchische Struktur der Kirche selbst in Frage. Wie das von der Institution produktiv genutzt werden kann, ist noch unklar. Auch zum Umgang mit ethischen Spannungsfeldern wie dem Datenschutz, dem Urheberrecht oder Plattform-Monopolen sagt der Beschluss der Synode erstmal nichts. Netzpolitische Richtungsentscheidungen stehen also noch aus.
Keine Frage: Die EKD schafft hier wichtige Grundlagen. Drei Stellen im Kirchenamt geben dem Digitalprozess in den Strukturen der EKD einen festen Ort. Der geplante Kirchenfinder nach einem Vorbild der Church of England räumt endlich Zugangshürden durch das Informationschaos aus dem Weg: Wenn jemand schon einen Gottesdienst oder ein anderes kirchliches Angebot sucht, muss er oder sie ohne Aufwand zum Ziel finden. Der geplante Medienpool unterstützt Gemeinden und andere kirchlichen Organisationen bei der zeitgemäßen Kommunikation.
Damit reagiert die EKD auf die gestiegenen Ansprüche an Ästhetik und Multimedialität, die viele vor Herausforderungen stellen. Zwei unbedingt sinnvolle Ideen, bei denen die kirchliche Breite mit zentral organisierten Dienstleistungen unterstützt wird. Wenn die Kooperation zwischen Landeskirchen und EKD sowie die Öffnung des Prozesses für Interessierte hierbei tatsächlich gelingen, wäre schon allein das ein Meilenstein für die Evangelische Kirche in Deutschland.
Ein Kirchenfinder macht noch keine digitale Kirche
Tatsächliche Strukturveränderungen oder ein Kulturwandel ergeben sich daraus allerdings noch nicht. Ein Kirchenfinder macht noch keine digitale Kirche. Am Visionärsten ist der geplante Innovationsfonds, dessen Einrichtung wir Jugenddelegierten der EKD seit Jahren gefordert haben. Dass Digitalprojekte nicht mehr nur zentral konzipiert und durchgeführt werden sollen, sondern die Menschen und Initiativen überall im Land gefördert werden können, die schon lange am digitalen Wandel arbeiten oder in den Startlöchern stehen, ist wertvoll. Entscheidend wird hier allerdings sein, wie eine Rückkopplung der innovativen Aufbrüche an bestehende Strukturen gelingt – und ob die Landeskirchen und die EKD bereit sind, sich von ihnen verändern zu lassen.
Aus den schon vollzogenen Digitalisierungsprozessen in Wirtschaft und anderen Institutionen wissen wir, dass es gut und wichtig ist, Freiräume für zündende Ideen zu schaffen. Doch wenn sie nicht in die bestehenden Strukturen integriert werden, drohen sie zum Strohfeuer zu verkommen.
Schlussendlich: Die wichtigste Richtungsentscheidung könnte die sein, zu der der Beschluss am allerwenigsten sagt, nämlich die danach, wie die EKD ihre eigenen ethischen Ansprüche konkret umsetzen will. Das man für ethische Fragen gar nicht in eine ferne, von Künstlicher Intelligenz geprägte Zukunft schauen muss, wie es Medienbischof Volker Jung in seiner Einbringung getan hat, zeigt sich an einem sehr simplen Beispiel: In seinem Jahresbericht kritisierte der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, die Machtkonzentration einiger weniger Technologiekonzerne und die unkontrollierten Auswirkungen ihrer Algorithmen auf die Kommunikation vieler Menschen. Den Livestream dieser Rede übertrug die EKD zunächst nur auf Facebook, auf Nachfrage auch auf YouTube. Wer nicht in Würzburg war, sondern die wenigen gestreamten Ausschnitte der Tagung aus der Ferne mitverfolgen wollte, dem überließ die EKD also ausgerechnet die Wahl zwischen zwei der mächtigsten Digitalmonopolisten.
Die EKD kann ein Zeichen setzen - wenn sie sich traut
Besonders relevant werden die ethischen Richtungsentscheidungen für den Aufbau des schon erwähnten Medienpools. Zugang zu und Nutzungsrechte an sogenanntem geistigem Eigentum sind eine der Kernfragen der Digitalisierung. Mit der Idee der Creative Commons hat die Netzbewegung der evangelischen Kirche hier ein Konzept anzubieten, das ihrem theologischen Grundsatz des Priestertums aller Gläubigen entspricht: Commons sind gemeinschaftlich produzierte Kultur- und Wissensressourcen, deren Verwertung nicht nach einer Marktlogik funktioniert. Ihr Paradebeispiel ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia.
Bei der Schaffung eines kirchlichen Medienpools stellt sich ganz konkret die Frage, an welchem Digitalisierungsvorbild sich die EKD orientiert. Wer wird an den Produktionsprozessen beteiligt und wer bekommt am Ende Zugang? Wird es ein kompliziertes Lizenzsystem geben, bei dem die Rechte für jedes einzelne Bild oder Video geklärt und bezahlt werden müssen? Oder werden die Inhalte hier mit offenen Creative-Commons-Lizenzen versehen, die allen eine kostenlose Nutzung ermöglichen? Die EKD hat die Chance, hier ein Zeichen zu setzen für Zugangsgerechtigkeit und Teilhabe. Sie kann mit ihrem aus Kirchensteuern finanzierten Medienpool einen Mehrwert nicht nur für die Kirche, sondern für die Allgemeinheit schaffen.
Wie die EKD diese Fragen beantwortet, hat am Ende nicht nur Einfluss darauf, wie die Digitalisierung allgemein verläuft, sondern auch, wie wir in Zukunft Kirche sind. Die Synode hat die Entscheidung darüber gewissermaßen den Verantwortlichen im Kirchenamt der EKD überlassen. Umso wichtiger wird es, dass der Prozess jetzt nicht wieder einschläft, sondern im nächsten Jahr anhand konkreter Praxis diskutiert werden. Ein Anfang ist gemacht, jetzt geht es erst richtig los.