Wenn die EKD-Synode am Sonntag mit dem Fernsehgottesdienst (9.30 Uhr, ZDF) eröffnet wird, stehen die 120 Synodalen vor einer herausfordernden Tagung. In Würzburg diskutieren sie über den Glauben junger Menschen, über die Digitalisierung und über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche. Alle drei Themen werden das Wesen der Kirche in den nächsten Jahren wesentlich bestimmen und verändern. Es ist eine Beschäftigung mit sich selbst, die sich die Synodalen aufgetragen haben. Denn alte Selbstverständlichkeiten haben sich aufgelöst, und darauf müssen Kirchen und Gemeinden eine Antwort finden.
Für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren gehören Glaube und Religiösität nicht selbstverständlich zum Alltag. In einer individualisierten Welt haben sie die Wahl, ob und wie sich für eine Religion entscheiden. In einer säkularisierten Welt ist Glaube eine Option zur Selbstfindung, aber nicht mehr das relevante Erklärmuster für die Welt, in der wir leben. Wie findet die Botschaft von Jesus Christus ihren Weg zu jungen Menschen heute? Und wenn das gelingt, wie schafft die evangelische Kirche es dann, diese jungen Menschen in ihren 800 Jahre alten Gebäuden nicht zu Tode zu langweilen?
Dafür gibt es natürlich jetzt schon ganz viele Beispiele, wie das gelingt. Aber reicht das, um aus der Begeisterung junger Menschen ein neues Fundament für Kirche und Gemeinde zu schaffen? Wenn junge Menschen sich in den bestehenden Formen nicht wiederfinden, wie sieht die evangelische Kirche zukünftig aus – in Bekenntnis, Gottesdienst, Struktur? Darüber wird die Synode reden (müssen). Die Diskussion der VELKD-Generalsynode zu ihren Beschlüssen über mehr Einbindung von jungen Menschen zeigte schon im Vorfeld, wie mühsam diese Diskussion werden kann, wenn die Erhaltung von Tradition wichtiger scheint als die Einbindung unterschiedlicher Interessen und Bedürfnisse.
Die drei großen Themen: Missbrauch, Digitalisierung, Jugend
Wie die evangelische Kirche mit dem Gesellschaftsthema Digitalisierung umgeht, kann sie ebenfalls nachhaltig verändern. Digitale Kirchtürme schaffen, für die Menschen immer dann und dort erreichbar sein, wo sie es brauchen, offen sein für die Zwei-Wege-Kommunikation und mehr Transparenz für Entscheidungen: Das und mehr könnte Digitalisierung für die evangelische Kirche bedeuten. Aber auch Themen wie beispielsweise gemeinsame Standards bei Software in allen Gliedkirchen, Umgang mit Künstlicher Intelligenz und Menschenbild, Big-Data-Auswertung zur Gemeindeentwicklung und Online-Service hängen da mit dran.
Der Vorschlag, den die EKD-Synode diskutieren wird, geht noch nicht so weit. Das Projekt „Kirche bei dir“, mit dem alle evangelischen Kirchen deutschlandweit verlässlich auffindbar werden sollen, Digital-Experten im Kirchenamt der EKD und ein Innovationsfonds sind ein Anfang. Darin steckt auch eine Weichenstellung in Richtung Ermutigung, und die Diskussion in der Synode wird zeigen, wie weit sich das EKD-Parlament darauf einlässt. Es gilt, die evangelische Kirche von der EKD bis zu den Gemeinden nicht auf dem digitalen Abstellgleis abzustellen.
Das dritte Thema, das die Kirche nachhaltig verändern könnte, ist der Umgang mit Missbrauch. Die evangelische Kirche ist im Schatten der katholischen Missbrauchsskandale noch nicht in gleicher Weise aufgefallen. Aber wie Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs im Interview vor der Synode zu sexuellem Missbrauch schon sagte, fehlt der evangelischen Kirche die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema Missbrauch: „Wir haben Schuld auf uns geladen. Es ist unsere Verantwortung, uns damit auseinanderzusetzen.“ Die bisher offiziell bekannten rund 500 Fälle von sexuellem Missbrauch stehen einer unbekannten Zahl von Fällen gegenüber, die nicht zur Anzeige gekommen sind. Und während die katholische Kirche es leichter hat, Täter in der Kirche aus dem Dienst zu entfernen, sind die Dienstverhältnisse in der evangelischen Kirche etwas komplizierter. Nicht zu schweigen vom Ehrenamt, wo die Kirche ebenfalls Verantwortung trägt.
Was bedeutet also eine neue proaktive Aufarbeitung des Themas sexueller Missbrauch, gerade für das Ehrenamt? Wie können die Opfer in den Blick genommen werden statt Täter zu schützen? Das oberste Kirchenparlament muss seiner Verantwortung gerecht werden und eine Kultur des Wegschauens verhindern. EKD-Ratsmitglied Kirsten Fehrs wird das Thema am Dienstagmorgen in die EKD-Synode einbringen, der Bericht des Rates trägt den Titel „Prävention, Intervention, Hilfe und Aufarbeitung“.
Kirche verändern kostet Geld, aber wie viel?
Und dann kommt für die Synode auch noch der Alltag als Kirchenparlament dazu, der unter anderem die mittelfristige Finanzplanung enthält. Alle Prognosen zeigen, dass die verfügbaren Gelder für die evangelische Kirche in Zukunft nicht mehr werden. Die Herausforderungen, vor denen die Kirchen stehen, brauchen aber auch Ressourcen. Die Synode wird auch darüber reden müssen, wie das Geld der EKD zukünftig verteilt werden soll. Die EKD hat zwar keinen Einfluss darauf, wie die 20 Gliedkirchen ihre eigenen Gelder ausgeben, und dort liegt der Großteil der Kirchenfinanzen. Die Synodalen müssen aber entscheiden, wie viel Energie und Ressourcen die EKD wofür einsetzt, um die gemeinsamen Aufgaben in Zeiten knapper Kassen zu erfüllen.
Die EKD-Synode tagt von Sonntag, 11. November, bis Mittwoch, 14. November, in Würzburg. Unsere Berichterstattung auch von der Generalsynode der VELKD und der Vollkonferenz der UEK finden Sie auf der Seite zur EKD-Synode 2018, im evangelisch.de-Twitter-Account und bei evangelisch.de auf Facebook.