Junge Afghanen fürchten Abschiebung aus Deutschland

Abschiebung von Asylanten
Foto: Boris Roessler/dpa
Bei abgelehnten Asylbewerber aus Afghanistan wächst die Angst, von heute auf morgen das Land verlassen müssen.
Junge Afghanen fürchten Abschiebung aus Deutschland
Seitdem das bayerische Innenministerium verkündet hat, dass abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan ohne Ausnahme abgeschoben werden sollen, wächst die Angst, dass gut integrierte Menschen von heute auf morgen das Land verlassen müssen.
25.07.2018
epd
Jutta Olschewski

Ahmad R. sagt, er hat afghanische Freunde, die übernachten im Wald. Sie hätten zwar ein Bett in einer Flüchtlingsunterkunft, aber dort wollen sie nicht mehr schlafen. Zu groß die Angst, am Morgen könnte die Polizei einen der jungen Männer wecken und zu einem Abschiebeflug geleiten.

Seitdem das bayerische Innenministerium verkündet hat, dass abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan ohne Ausnahme abgeschoben werden sollen, macht sich unter den Betroffenen Panik breit. "Ich habe Angst", sagt Ahmad, "in Afghanistan bin ich in Lebensgefahr." Wenn jetzt in Bayern die Ferien beginnen, er nicht mehr in die Schule und zum Fußballtraining gehen kann, "dann wird der Stress groß", sagt der 18-Jährige.

"Die tatsächliche Gefährdung für Afghanen muss auch in Deutschland zur Kenntnis genommen werden"

Unterstützer und Freunde stünden fassungslos vor der bayerischen Abschiebungslinie, sagt die ehrenamtliche Helferin Milena Eichhorn, Pädagogikstudentin aus Bamberg. "Da passieren zurzeit Geschichten, die sind so krass und nicht nachvollziehbar." Es könne doch nicht sein, dass Menschen, "die hier wunderbar integriert sind", abgeschoben werden und in Afghanistan in Gefahr sind, sagt die 22-Jährige.

Die Aufregung und Furcht sei auch bei denen groß, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen sind, berichtet Sozialarbeiter Riccardo Schreck, der ebenfalls ehrenamtlich in der Asylarbeit aktiv ist. Er hat drei afghanische Freunde, die in den vergangenen Tagen untergetaucht sind, sagt er. Einen von ihnen vermutet er in Frankreich, denn das Nachbarland schiebt wegen der Gefahrenlage in Afghanistan dorthin nicht mehr ab. Er wünscht sich, "dass die tatsächliche Gefährdung" für die Rückkehrer auch in Deutschland zur Kenntnis genommen wird. In allen Fällen sollte aus seiner Sicht eine Prüfung stattfinden, ob eine Gefahr besteht.

Ein weiterer seiner Bekannten gilt bei den Behörden als "Identitätsverweigerer". Doch dessen Mutter lebe im Iran und könne ihm nicht die verlangte Registernummer der männlichen Familienseite in Afghanistan beschaffen, erklärt Schreck. An einen Pass käme der besagte Freund nur auf illegalen Wegen.

Ein Afghane, der im vergangenen Jahr abgeschoben wurde, sei innerhalb weniger Monate zweimal bei Anschlägen verletzt worden, sagt der Asylhelfer. Ein anderer, der in dem Flieger mit den 69 abgeschobenen Anfang Juli saß, habe in Kabul keine Unterkunft erhalten, weil ihn die Internationale Organisation für Migration (IOM) nicht auf ihrer Liste fand. Viele der Flüchtlinge seien im Iran aufgewachsen und hätten keinerlei soziale Kontakte in Afghanistan, sagt Schreck.

In Bayern hätten sie sich dagegen in den vergangenen drei bis vier Jahren einen Freundeskreis aufgebaut: Manche spielen im Fußballverein, sind ehrenamtlich bei Vereinen tätig, haben Deutsch gelernt. Er wäre gerne Stürmer, werde aber als Verteidiger eingesetzt, erzählt Ahmad R. und taut im Gespräch über Fußball sichtlich auf. Seit seinem neunten Lebensjahr ist Kicken seine Leidenschaft. Derzeit spielt er in der zweiten Mannschaft eines Dorfvereins bei Bamberg.

"Sie sind längst Teil der Gesellschaft geworden", sagt Schreck über die jungen Afghanen, die er kennt. Wenige von ihnen aber erhalten die Erlaubnis, eine Ausbildung zu machen. Gerade die Abschiebungen von Pflegeschülern halten die Asylhelfer angesichts des Arbeitskräftemangels für nicht nachvollziehbar. 

Milena Eichhorn gibt zu bedenken, dass neben den Abgeschobenen auch andere Menschen leiden: Wohngruppenfreunde, Sportsfreunde, Lehrer, Kollegen. "Da hängen viele dran, die gar nicht beachtet werden", sagt die junge Frau. Oder Menschen, die Patenschaften übernommen hätten und Beziehungen zu deutschen Familien: "Das geht jetzt kaputt."