Eine Handvoll Leben in Bethlehem

 hmed und Ama mit Talia
Foto: Kinderhilfe Bethlehem
Wochenlang kämpfte Talia auf der Intensivstation um ihr Leben. Als die schwersten Monate voru?ber sind können Ahmed und Ama wieder lachen.
Eine Handvoll Leben in Bethlehem
Das Baby Talia wog gerade mal 750 Gramm, als es auf die Welt kam. Kein Krankenhaus in Bethlehem wollte das Neugeborene in diesem Zustand aufnehmen – die Prognosen bei diesem geringen Geburtsgewicht waren einfach zu schlecht. Das Caritas Baby Hospital gab Talia die Chance zu überleben.
13.05.2018
Kinderhilfe Bethlehem
Livia Leykauf

Talia kam fast vier Monate zu früh auf die Welt. Für die Eltern war das abrupte, vorzeitige Ende der Schwangerschaft ein weiterer Schock in ihrem noch jungen Leben. Amal und Ahmed mussten bereits zwei Fehlgeburten verarbeiten und nun fürchteten sie, ihr drittes Kind ebenfalls zu verlieren. Die beiden hatten mit widersprüchlichen Gefühlen zu kämpfen: Angst, Glück, Stress, Freude und Sorge. Würde ihr Frühchen überleben? Einen Namen hatten sie schon für ihre Tochter: Talia, was Tau des Himmels bedeutet. Aber würden sie ihr Kind je bei diesem Namen rufen können?

In zwei Krankenhäusern in Bethlehem konnte Talia nicht behandelt werden. Die Überlebenschancen der Frühgeburt mit ihren 750 Gramm wurden als äußerst gering eingestuft. Die letzte Hoffnung für die jungen verzweifelten Eltern war das Caritas Baby Hospital in Bethlehem, das einzige rein pädiatrische Krankenhaus in der Region. Auf der Neugeborenen-Intensivstation erhielt Talia schließlich die Chance, um ihr junges Leben zu kämpfen.

"Die Ärzte haben uns nichts versprochen"

Talia wurde umgehend auf die Intensivstation des Kinderkrankenhauses gebracht. "Aber", so erinnert sich Mutter Amal, "die Ärzte haben uns nichts versprochen. Sie waren ehrlich mit uns. Sie haben nicht versucht, uns mit leeren Floskeln zu trösten." Talia war bei der Einlieferung winzig und zerbrechlich, ihre Haut schimmerte durchsichtig.

Talia kam mit gerade mal 750 Gramm Geburtsgewicht auf die Welt.
Im Caritas Baby Hospital werden jährlich mehr als 150 Frühgeburten behandelt, doch noch nie zuvor hatte man im Kinderkrankenhaus einen Säugling mit so geringem Geburtsgewicht zur Behandlung aufgenommen. "Aber Talia zeigte vom ersten Tag an einen starken Überlebenswillen", erzählt Dr. Hiyam Marzouqa, die Chefärztin des Krankenhauses. Nach ihrer Einlieferung war für Talia die fachkundige medizinische Betreuung entscheidend. Sie wurde wochenlang rund um die Uhr und genaustens überwacht. "Jede noch so kleine Infektion hätte für sie tödlich sein können. Das medizinische und pflegerische Team wuchs über sich hinaus. Alle haben Talia und ihre engagierten Eltern ins Herz geschlossen", so Dr. Hiyam Marzouqa. "Dabei", gesteht Mutter Amal, "habe ich sicher das ganze Ärzte- und Pflegeteam mit meinen ständigen Fragen nach dem Gesundheitszustand meiner Tochter halb verrückt gemacht."

Nach drei Monaten endlich zu Hause

Elf Wochen lang wurde Talia im Caritas Baby Hospital medizinisch versorgt, dann konnten die Eltern sie endlich mit nach Hause nehmen. Die erste Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus schliefen die Eltern sogar bei ihr im Zimmer, aus Angst, dass sich das Baby vielleicht die Decke über die Nase ziehen und keine Luft mehr bekommen könnte. Das Leben der jungen Eltern hat sich seit Talias Geburt grundlegend geändert. "Es ist erfüllter geworden", sagt Amal. "Man spürt viel stärker die Verantwortung", berichtet Vater Ahmed. Die Eltern wirken gelöst, sie lachen viel und gehen liebevoll miteinander um. Die schwierigen drei ersten Monate nach Talias Geburt sind vorbei und Amal und Ahmed sehen voller Vorfreude in die Zukunft. "Nach zwei Fehlgeburten hätten wir wahrscheinlich auch dieses Kind verloren. Aber Talia lebt. Dafür sind wir dem Caritas Baby Hospital unendlich dankbar", sagt Amal.

Die Oberschwester der Intensivstation des Caritas Baby Hospital freut sich, die kleine Talia so gesund und munter zu sehen.

Die erste Nachuntersuchung in der Ambulanz des Kinderkrankenhauses zeigt, dass Talia ordentlich an Gewicht zulegt und normal wächst. Gute Prognosen für das Baby und ihre Eltern. Die Wiedersehensfreude ist groß, als Amal mit ihrer Tochter zum ersten Mal seit der Entlassung wieder ins Krankenhaus kommt. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer über die Stationen. Die Oberschwester der Intensivstation begrüßt die beiden herzlich, die Sozialarbeiterin tauscht ein paar Worte mit Amal. Viele Wochen hat man gemeinsam gehofft und gebangt. Nun sind alle überrascht und glücklich, wie positiv sich Talia entwickelt hat. Aus der Handvoll Leben ist ein filigranes Baby mit Pausbacken geworden.