Lehmann galt in den vergangenen Jahrzehnten als einer der prägendsten Repräsentanten der katholischen Kirche, von 1987 bis 2008 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Er genoss den Ruf eines verhältnismäßig liberalen Vordenkers und besonnenen Reformers. Nach seiner Emeritierung mit 80 Jahren im Mai 2016 hatte er im vergangenen September einen Schlaganfall und eine Hirnblutung erlitten.
Lehmanns Nachfolger, Bischof Peter Kohlgraf, schrieb in einem Brief an die Gemeinden und Mitarbeiter des Bistums: "Das Bistum Mainz trauert um einen weit über die Kirche hinaus hoch anerkannten Theologen und Seelsorger, einen leidenschaftlichen Brückenbauer zwischen den Konfessionen und einen Zeugen des Glaubens inmitten der Gesellschaft." Zum Tod Lehmanns werde die größte Glocke des Mainzer Doms, die Martinus-Glocke, am Sonntag um 14.30 Uhr eine halbe Stunde lang läuten.
Lehmann, der Philosophie und Theologie studierte, empfing 1963 die Priesterweihe. Von 1962 bis 1965 nahm er als Mitarbeiter des Theologen Karl Rahner (1904-1984) am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) teil, dessen weitreichende Beschlüsse die Öffnung der römisch-katholischen Kirche hin zur modernen Welt und zur Ökumene einleiteten. Ab 1968 unterrichtete er als Theologieprofessor an den Universitäten Mainz und Freiburg, bis er 1983 von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Mainz ernannt wurde.
Im langwierigen Streit um den vom Vatikan geforderten Ausstieg der katholischen Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung musste Lehmann sich 1999 einem Machtwort von Johannes Paul II. beugen. 2001 verlieh der Papst dem Mainzer Bischof überraschend die Kardinalswürde, nachdem Lehmann zuvor auffallend lange nicht in den Kreis der Kardinäle aufgenommen worden war.