Wen die Muße küsst

Entspannen
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Einfach mal die Seelen baumeln lassen.
Wen die Muße küsst
Sommer, Urlaub und der Faulpelz-Tag
Chillen und in der Hängematte entspannen - dazu braucht es keinen extra "Faulpelz-Tag", wie ihn einige am 10. August begehen. Wissenschaftler empfehlen, öfter mal aus dem Hamsterrad auszusteigen: "Einfach Faulsein und sehen, was mit einem passiert".
07.08.2017
epd
Christine Süß-Demuth

Faulpelze haben es in der Gesellschaft schwer. Dies beweisen Sprüche wie "Müßiggang ist aller Laster Anfang" oder "Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nie auf morgen". Während in der Antike Muße ein Ideal war, gelten Fleiß, Effizienz und Effektivität gelten heute als erstrebenswert, nicht nur im Beruf, sondern auch in der Freizeit.

Trotzdem - oder gerade darum - sehnt sich manch einer in ein märchenhaftes Schlaraffenland, in dem Faulheit eine Tugend und Fleiß eine Sünde ist: Einfach unter einem Baum liegen und leckere Speisen fliegen einem Mund.

Ähnlich wird jährlich der 10. August als "Faulpelz-Tag" auch in sozialen Netzwerken zelebriert. Die Tipps sind simpel: Einfach im Bett liegenbleiben und den Pizza-Lieferdienst anrufen. Über den Ursprung des Spaß-Tags, der aus den USA stammt und dort vor einigen Jahren als "National Lazy Day" auftauchte, ist nichts bekannt. Vielleicht geht er auf einen Scherz zurück, auf jeden Fall findet er zahlreiche Nachahmer - der Gedanke an einen faulen Tag im Sommer ist wohl einfach zu verlockend.

Muße ist keineswegs nur Nichtstun

An der Universität Freiburg beschäftigen sich Experten wissenschaftlich mit der Auszeit vom Alltagsstress: Im Sonderforschungsbereich "Muße" arbeiten Literaturwissenschaftler, Soziologen, Ethnologen, Psychologen, Mediziner, Philosophen und Theologen interdisziplinär zusammen. Auch sie wissen nichts über den Erfinder des Ehrentags des Faulpelzes: "Leider sind wir wohl zu faul gewesen, um das zu recherchieren", scherzt Elisabeth Cheauré, Sprecherin der Forschungsgruppe.

Für die Wissenschaftler steht jedoch fest: Muße ist keineswegs nur Nichtstun. Vielmehr überschreite die Muße Gegensätze wie Arbeit und Freizeit, Beschleunigung und Entschleunigung, Tätigkeit und Untätigkeit. Der Freiburger Germanist Peter Riedl, Vorstand im Forschungsbereich, beschreibt es so: "Muße ist ein selbstbestimmtes freies Verweilen in der Zeit." 

Elisabeth Cheauré erkennt keinen Widerspruch zwischen Arbeit und Muße: "Ich kann auch mit Muße arbeiten". Untätigkeit werde oft mit Faulheit gleichgesetzt und sei im Gegensatz zur Muße negativ besetzt, sagt die Slawistin. Tatsächlich sei die Grenze zwischen Muße und Faulheit jedoch fließend: "Wer bestimmt eigentlich, ob ich faul bin oder Muße habe?"

Nicht nur für den 10. August empfiehlt die Muße-Forscherin: "Einfach mal Faulsein und sehen, was mit einem passiert". Faulheit könne ein sehr produktiver Zustand sein. "Wenn ich still dasitze, komme ich in einen Zustand, in dem die Gedanken fliegen und Zeit keine Rolle mehr spielt. Ich nutze den Raum selbstbestimmt in meinem eigenen Rhythmus."

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Muße hat auch die Wissenschaftlerin verändert: "Jetzt habe ich kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich mal einen Tag nichts mache", sagt Cheauré. Es tue gut, aus dem Hamsterrad auszusteigen. Danach gehe die Arbeit viel leichter und schneller von der Hand.

Gegen die "Atemlosigkeit als Statussymbol", "Zeitraffermentalität" und "Beschleunigungswahn" wendet sich auch der Theologe und Publizist Fulbert Steffensky. Er hat festgestellt, dass die Muße es schwer hat in einer Zeit, in der der "Glaube an Gott durch den Glauben an die Effizienz ersetzt" worden sei.

Die Geschäftigkeit habe auch die Gottesdienste erreicht, kritisiert er in seinem Aufsatz "Spielen und Schweigen. Muße braucht ungejagte Zeit". Der Zwang, Gottesdienste interessant und spannend zu machen, störe das Moment der Muße. Denn eigentlich seien Gottesdienste "die schönsten Stellen der freien Absichtslosigkeit, der Muße und des Spiels", schreibt Steffensky.

In der Bibel selbst ist das Nichtstun an mehreren Stellen verpönt: Faulpelze sollten sich die Ameise als Beispiel nehmen, heißt es in den biblischen Sprüche Salomos im sechsten Kapitel: Ohne Antreiber bereite sie doch "ihr Brot im Sommer und sammelt ihre Speise in der Ernte". Auch Martin Luther (1483-1546) meinte offenbar, dass der Mensch zum Arbeiten geboren sei: "Von Arbeit stirbt kein Mensch, aber vom Müßiggehen kommen die Leute um Leib und Leben."

Hundertprozentig überzeugt war aber wohl auch er nicht. Denn den Wert der Muße hat er durchaus erkannt. Überliefert ist von ihm auch folgendes Zitat: "Man dient Gott auch durch Nichtstun, ja durch keine Sache mehr als durch Nichtstun".